Spannern soll es an den Kragen gehen
15. Februar 2004Die Täter sind unauffällig. Sie haben ein Handy mit Fotofunktion oder eine Mini-Digitalkamera. Sie fotografieren überall dort, wo Menschen ungestört sein wollen: In Umkleidekabinen, Geschäften oder im Schwimmbad, in der Sauna und sogar in öffentlichen Toiletten. Im Handumdrehen landen die Bilder dann im Internet, ohne dass die Opfer es erfahren.
Immer mehr Spanner-Seiten im Internet
"Das heimliche Fotografieren ist in Deutschland nicht gesetzlich geregelt", sagt dazu der Rechtsanwalt Dennis Sevriens. Die Zahl der Spanner-Seiten habe aber in den vergangenen Jahren stark zugenommen, vor allem durch die preiswerten Mini-Kameras. Nach Ansicht von Sevriens klafft hier eine Gesetzeslücke: "Es ist verboten, ein Gespräch heimlich mitzuschneiden, und das Ausspähen von Daten ist auch strafbar. Nur das heimliche Fotografieren ist nicht unter Strafe gestellt. Das passt nicht zusammen."
In japanischen Badehäusern sind Handys mit Mini-Kamera inzwischen verboten, in Italien gibt es strenge Regeln, wann und wo geknipst werden darf, und in Saudi-Arabien sind die Geräte generell verboten. Nun haben auch deutsche Politiker das Problem erkannt. Die Parteien sind sich einig, sie wollen das heimliche Fotografieren im so genannten geschützten Raum – also im privaten Bereich – verbieten und mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestrafen. Das Gesetz soll noch im Frühjahr 2004 im Bundestag verabschiedet werden.
Journalisten in den Knast?
Doch der Gesetzesentwurf ist umstritten: Verleger und Fotografen befürchten einen Einschnitt in die Pressefreiheit. "Meine Frau und meine Kinder müssen mich demnächst wohl im Knast besuchen", sagt Günter Zint wütend. Der Fotograf hat in den 1960er- und 1970er-Jahren mit dem Journalisten Günter Wallraff zusammengearbeitet. Die beiden recherchierten heimlich in Betrieben, Arztpraxen und Ämtern. Dort fotografierte Zint mit versteckter Kamera. "Journalisten müssen heimlich arbeiten, wenn sie Missstände aufdecken wollen", sagt Zint.
Diese Ansicht vertritt auch die Rechtsanwältin Dorothee Bölke. "Das geplante Gesetz macht keinen Unterschied zwischen privaten Spannern und professionellen Pressefotografen", erklärt die Expertin für Presse- und Medienrecht. Bildjournalisten würden so kriminalisiert, und das sei eine Gefahr für die gesamte Berufsgruppe. "Die Presse hat schließlich eine wichtige Aufgabe in unserer Demokratie", gibt Bölke zu Bedenken.
Kind mit dem Bade ausgeschüttet
Fraglich ist außerdem, ob das Gesetz überhaupt notwendig ist. "Es gibt bereits das so genannte Recht am eigenen Bild. Danach ist es verboten, ein Foto von einem anderen Menschen ohne Erlaubnis zu verbreiten", sagt Bölke. Heimlich aufgenommene Spanner-Fotos ins Internet zu stellen, ist also schon heute strafbar. Nur das Fotografieren selbst ist bislang erlaubt.
"Hier wird mal wieder das Kind mit dem Bade ausgeschüttet", sagt Anwältin Bölke. "Natürlich sollte man den Spannern zu Leibe rücken. Aber der Gesetzgeber hat vergessen, dass er mit der neuen Vorschrift auch die Journalisten trifft." Ob sich die Handy-Spanner von einem Strafgesetz abschrecken lassen, ist ohnehin zweifelhaft. Und vielleicht wäre eine andere Methode viel wirksamer: Die Hersteller der Geräte sollten dafür sorgen, dass beim Knipsen mit Handy- und Mini-Kamera ein Alarmton erklingt. Dann wären die Täter nämlich nicht mehr unauffällig.