1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

SPD-Abgeordneter wechselt zur Piratenpartei

20. Juni 2009

Die Piraten entern den Bundestag: Der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss verlässt seine Partei und will zur Piratenpartei übertreten, die sich für ein freies Internet einsetzt. Die SPD fordert das gekaperte Mandat zurück.

https://p.dw.com/p/IVJz
Jörg Tauss (Foto: dpa)
Jörg Tauss - sieht so ein Pirat aus?Bild: picture-alliance / dpa

Wegen der Zustimmung der SPD zum Gesetz gegen Kinderpornografie im Internet hat der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss die Partei verlassen. Mit dem Gesetz werde eine "staatliche Zensurinfrastruktur" geschaffen, kritisierte er: "Stück für Stück hat sich die SPD von einer Bürgerrechtspartei, die mutig für Freiheit und Recht kämpft, zu einer Steigbügelhalterin der Union entwickelt." In der Innen-, Rechts- und Internetpolitik gebe es bei den Sozialdemokraten eine schlimme Fehlentwicklung. Aus diesem Grund sei er nach fast 40 Jahren Mitgliedschaft aus der SPD ausgetreten und unterstütze künftig die Piratenpartei, erklärte Tauss am Samstag (20.06.2009).

Tauss hatte im Frühjahr für Aufsehen gesorgt, als bekannt wurde, dass gegen ihn wegen Besitzes von kinderpornografischem Material ermittelt wird. Tauss war daraufhin von seinen Ämtern zurückgetreten, der Bundestag hatte seine parlamentarische Immunität aufgehoben. Tauss bestreitet aber energisch, pädophil zu sein. Er habe das kinderpornografische Material, das bei ihm sichergestellt wurde, ausschließlich für seine Recherchen gegen die Kinderporno-Szene benutzt, rechtfertigte sich der 55-Jährige.

Piratenpartei heißt Tauss willkommen

Die Piratenpartei signalisierte Aufnahmebereitschaft: Es gelte die Unschuldsvermutung, sagte der Vorsitzende der Piraten, Dirk Hillbrecht, dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Dem schloss sich der Bundesvorstand der Partei an: "Solange in dieser Sache gegen Herrn Tauss keine Verurteilung erfolgt ist, hat die Piratenpartei keinen Anlass, an seiner Unschuld und moralischen Integrität zu zweifeln." Die Piratenpartei ist für besseren Datenschutz, mehr Informationsfreiheit, informationelle Selbstbestimmung und den freien Zugang zu Wissen im Internet. Das Gesetz gegen Kinderpornografie im Netz lehnt sie als Zensur ab. Bei den Wahlen zum Europaparlament war die Partei erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden.

Trotz seines Austritts aus der SPD will Tauss sein Bundestagsmandat behalten. "Bis Ende der Legislaturperiode werde ich der erste Abgeordnete der Piratenpartei im Bundestag sein", sagte Tauss. Er wolle aber nicht für die Piratenpartei für den nächsten Bundestag kandidieren. Für den Rest der Legislaturperiode werde er seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber der SPD erfüllen und außerdem mit der SPD-Fraktion stimmen, sofern sich diese nicht gegen Bürgerrechte und Internet-Freiheit stelle.

SPD: "Kapern geht nicht"

Die SPD forderte Tauss umgehend auf, sein Mandat zurückzugeben. "Das Bundestagsmandat kapern geht nicht. Er hat es durch die SPD erlangt und muss es deshalb wieder zurückgeben", sagte der SPD-Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Christian Lange, der "Welt am Sonntag". Tauss sitzt seit 1994 für die baden-württembergische SPD im Bundestag. Er war bildungs-, forschungs- und medienpolitischer Sprecher seiner Fraktion und gehörte dem Fraktionsvorstand an. Zudem war er Generalsekretär der baden-württembergischen SPD. (det/gri/afp/ap/dpa/rtr)