Martin Schulz legt mit Zukunftsplan nach
16. Juli 2017Es gehe bei der Bundestagswahl am 24. September um eine Richtungsentscheidung zwischen einem "modernen Deutschland in einem erneuerten Europa oder Status Quo und Rückschritt", sagte Schulz in Berlin zehn Wochen vor der Wahl. Im Willy-Brandt-Haus stellt er sein Zehn-Punkte-Programm vor rund 600 Zuhörern vor und machte deutlich, dass die Bundesrepublik bereit sein müsse, mehr Geld in den Haushalt der Europäischen Union einzuzahlen. Deutschland profitiere "wie kein anderes Land" wirtschaftlich von Europa, sagte der SPD-Kanzlerkandidat. Zugleich forderte er die Solidarität anderer EU-Staaten ein: Wer keine Flüchtlinge aufnehme oder einen "ruinösen Steuerwettbewerb" anzettele, der "kann dann auch nicht mit unserer Solidarität rechnen".
Innere Sicherheit kaum Thema
Sein sogenannter "Zukunftsplan" ist eine zugespitzte Version des Ende Juni vom SPD-Parteitag beschlossenen Wahlprogramms. Themen wie die Innere Sicherheit werden in Schulz' Plänen nur am Rande aufgenommen. Mit seiner Version hofft Schulz, den Umfragerückstand der Sozialdemokraten bis zur Bundestagswahl aufzuholen. "Ich möchte ein Kanzler sein, der die Dinge anpackt", so der Kandidat.
Mit den "zehn Projekten für ein modernes Deutschland" hofft Schulz, Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel in die Enge zu treiben. Bei der Vorlage des 19-seitigen Papiers sagte der SPD-Chef, während Merkel zur Zukunft des Landes wenig sage, wolle er umso konkreter werden: "Mir jedenfalls ist es wichtig, dass die Bürger eine echte Wahl haben. Ich bin mir sicher, Deutschland kann mehr."
"Mindestdrehzahl für Investitionen"
Mehr Geld soll trotz Schuldenbremse in schnelle Internetverbindungen, Straßen und Schienen, der Ausbau erneuerbarer Energien sowie Bildung - diese Investitionsverpflichtung fließen. "Wir brauchen eine Mindestdrehzahl für Investitionen", so der Kanzlerkandidat.
Die deutschen Unternehmen will Schulz mit einer aktiven Industriepolitik dabei unterstützen, die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Mehr Gerechtigkeit will Schulz mit einem Pakt für anständige Löhne, der Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen und weniger prekären Beschäftigungsverhältnissen schaffen. Allen Erwerbstätigen soll zudem ein staatlich finanziertes "Chancenkonto" zustehen, dessen Guthaben sie für die Weiterbildung nutzen können.
In seinen Kernforderungen bekräftigte der SPD-Kanzlerkandidat auch das Versprechen, Bildung in Deutschland von der Kita bis zur Hochschule und zum Meisterabschluss kostenfrei zu machen. Eine nationale Bildungsallianz zwischen Bund und Ländern soll für eine bessere finanzielle Ausstattung von Schulen und bundesweit vergleichbare Standards sorgen.
Unfinanzierbar, wenig ambitioniert
Der Zukunftsplan für Deutschland stößt bei Linken, Grünen und der CDU auf Kritik. Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht erklärte, Schulz' Plan stehe "auf tönernen Füßen". Zwar seien mehr staatliche Investitionen in Deutschland und Europa richtig, doch mit ihrer Absage an die Vermögensteuer habe die SPD keinen Weg, dies zu finanzieren. Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir wertete die Schulz-Vorschläge als "richtiges Signal", um die "Politik des Stillstands" unter Kanzlerin Angela Merkel zu beenden. "Doch der Plan ist viel zu wenig ambitioniert, um unser Land und Europa zukunftsfähig aufzustellen." Unionsfraktionsvize Michael Fuchs von der CDU kritisierte Schulz' Plan in der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" als unfinanzierbar.
pab/qu (afp, dpa)