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Machtkampf in Vietnam

Rodion Ebbighausen30. August 2012

Die Verhaftung des Unternehmers Nguyen Duc Kein wirft ein Schlaglicht auf den Machtkampf in der Führung Vietnams. Die dominierende Rolle der Kommunistischen Partei ist angekratzt, dagegen wehrt sie sich.

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der vietnamesische Unternehmer Nguyen Duc Kien (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Der weißhaarige, untersetzte Endvierziger und fanatische Fußballfan Nguyen Duc Kien gilt nicht nur als Schwergewicht in der Wirtschaft, sondern auch als Vertrauter von Ministerpräsident Nguyen Tan Dung. "Sein Netzwerk reicht von der Finanzwelt bis in die politische Führungsebene", bestätigt Phuong Le Trong, Soziologe der Universität Bonn, im Gespräch mit DW.DE. Wegen Kiens weitreichender Kontakte sei die Verhaftung (20.08.2012) auch für Insider eine Überraschung gewesen.

Konkurrierende Patronagesysteme

Nur wenige Tage später wurde Ly Xuan Hai, Geschäftsführer der "Asia Commercial Bank" (ACB) verhaftet. Die Bank wurde 1994 von Kien und einigen Partnern gegründet. In kurzer Zeit entwickelte sie sich zum wichtigsten privaten Kreditinstitut des Landes. Der unbestimmte Vorwurf gegen beide Geschäftsleute: Wirtschaftsverbrechen beziehungsweise illegale Geschäftspraktiken.

"Die Verhaftung ist ein Signal für Gewichteverschiebungen innerhalb der politischen Führung Vietnams", sagt Le Trong. Auch Gerhard Will von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik vermutet mehr hinter den Verhaftungen als illegale Geschäftspraktiken. "Es geht um das Abstecken von Pfründen. Verschiedene Patronagesysteme stehen in Konkurrenz miteinander."

Vietnams Präsident und Staatsvorsitzender Truong Tan Sang (Foto: Getty images)
Präsident und StaatsvorsitzenderTruong Tan Sang will die Macht der KP stärken.Bild: Getty Images

Verhaftung Kiens zielt zugleich auf Ministerpräsident Dung

Seit Monaten gibt es innerhalb der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) einen mehr oder weniger verdeckt geführten Machtkampf zwischen Ministerpräsident Nguyen Tan Dung und seinem Gegenspieler, dem vietnamesische Präsident Truong Tan Sang. Sang steht auf Seiten der KPV, während Dung vor allem die Regierung vertritt. In der Vergangenheit hatte die KPV – ähnlich wie die KP Chinas - sämtliche Machtbefugnisse auf sich vereinigt. Anders als in China jedoch hat in Vietnam in den vergangenen Jahren die Regierung gegenüber der Partei immer mehr an Gewicht gewonnen, was Regierungschef Dung geschickt für seine Interessen genutzt hat. "Zuletzt hat Dung seinen Einflussbereich ausbauen können", sagt Le Trong.

Partei will ihre Dominanz zurück

Sang und die Partei versuchen dem Machtzuwachs Dungs seit längerem etwas entgegenzusetzen. Zuerst lastete man Dung die Milliardenpleiten der vietnamesischen Schiffbaukonzerne Vinashin und Vinaline an. Dann brachte die KPV eine vom Ministerpräsidenten Dung ins Leben gerufene Anti-Korruptionsbehörde unter ihre Kontrolle. "Dungs Position ist schwer angeschlagen und die Angriffe werden sicher weitergehen", fasst Will die Ereignisse zusammen. Le Trong fügt hinzu: "Die Verhaftung Kiens könnte man als den Anfang eines offenen Machtkampfs deuten."

Wie ernst die Lage für Dung ist, zeigt sich darin, dass der Ministerpräsident kurz nach der Verhaftung Kiens vor die Presse trat und behauptete, sein ehemaliger Protegé Kien sei auf sein Betreiben hin verhaftet worden.

Dennoch ist fraglich, ob es dem Lager Sangs gelingen wird, Dung zu stürzen. Dung verfüge nach wie vor nicht nur über mächtige Unterstützer innerhalb des Machtapparats, sondern es fehle auch eine ernsthafte Alternative, wie Will im Gespräch mit der DW sagt. "Schon beim letzten Parteitag war es die Stärke von Dung, dass keine Alternative sichtbar war."

Ministerpräsident Nguyen Tan Dung (Foto: AP)
Ministerpräsident Nguyen Tan Dung sucht Unterstützung der WirtschaftsinteressenBild: AP

Selbstblockade des Landes

Die verbissene Auseinandersetzung um die Vorherrschaft im Land hat eine Verschärfung des wirtschaftlichen Schlingerkurses zur Folge. Das ehemalige Boomland Vietnam kämpft seit der Wirtschaftskrise von 2008 mit einer galoppierenden Inflation, faulen Krediten und einem stetig abnehmenden Wirtschaftswachstum (von durchschnittlich sieben Prozent vor der Krise auf durchschnittlich 4,7 Prozent im zweiten Quartal 2012). Die Verhaftungen der beiden Geschäftsleute erschüttern das ohnehin geringe Vertrauen in die vietnamesische Wirtschaft zusätzlich. Der vietnamesische Börsen-Index (VNINDEX) ist seit dem Tag der ersten Verhaftung um 7,8 Prozent gefallen.

Statt dringend notwendige Reformen auf den Weg zu bringen, blockiert sich die Führung des Landes selbst. "Der Machtkampf wird schwerwiegende Konsequenzen für die Entwicklung des Landes haben", so der Bonner Vietnam-Experte Le Trong.

Er sieht drei mögliche Szenarien: Präsident Sang setzt sich durch, die Partei macht gegenüber Dung und den Wirtschaftsbossen Boden wett. Zweitens, Dung gelingt ein Comeback. Es entsteht eine Oligarchie, in der wenige Politiker und vor allen Dingen reiche Geschäftsleute das Sagen haben. Drittens, der Machtkampf und die chaotischen Zustände dauern an.