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Spione, Waffenhändler, Rebellen: Das Geschäft mit Gefangenen

Daniela Natalie Posdnjakova
1. August 2024

Russland und mehrere westliche Staaten haben sich auf den Austausch von 26 Häftlingen geeinigt. Es ist nicht das erste Mal. In den letzten 20 Jahren gab es einige aufsehenerregende Fälle.

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VAE Abu Dhabi Airport | Griner und But in Begleitung von vier Männern auf einem Rollfeld. But schüttelt einem die Hand.
Dezember 2022: US-Basketball-Star Brittney Griner und der russische Waffenhändler Wiktor But werden am Flughafen von Abu Dhabi ausgetauschtBild: SNA/IMAGO

Die Russische Föderation, die Vereinigten Staaten und einige verbündete Staaten haben Gefangene ausgetauscht. Russen, die im Westen zu unterschiedlichen Haftstrafen verurteilt wurden, sind in ihr Heimatland überführt worden. Im Gegenzug kamen russische Staatsbürger in politischer Gefangenschaft sowie amerikanische und deutsche Staatsbürger aus russischer Haft frei.

Seit Wladimir Putin in Russland an der Macht ist, gab es immer wieder solche Austausche. Was waren die aufsehenerregendsten Fälle und was ist aus den Freigelassenen geworden?

Spione gegen Spione

Am 10. Juli 2010 tauschten die USA und Russland am Flughafen Wien-Schwechat gefangene Spione aus: Washington übergab zehn Personen an die russische Seite, Moskau vier an die amerikanische.

Unter letzteren waren der russische Nuklearwissenschaftler Igor Sutjagin, der elf Jahre im Gefängnis gesessen hatte, weil er geheime Informationen über russische U-Boote an eine britische Firma weitergegeben haben soll, sowie der ehemalige KGB-Oberst Sergej Skripal, der in Russland wegen Spionage für den britischen Geheimdienst MI6 verurteilt wurde.

Portraits von Sergej Skripal und seiner Tochter Julia
Sergej Skripal und seine Tochter Julia wurden 2018 in einem Park in Salisbury vergiftet aufgefunden

Skripal allerdings wurde zusammen mit seiner Tochter 2018 in Großbritannien mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet. London, wie auch westliche Partner, beschuldigt Moskau des Mordanschlags und wies 23 russische Diplomaten aus. Der Kreml streitet die Anschuldigung ab.

Die anderen beiden russischen Gefangenen waren die russischen Offiziere Alexander Saporoschskij vom Auslandsgeheimdienst (SWR) und Gennadij Wassilenko von der Staatssicherheit (KGB). Sie sollen in die Enttarnung eines russischen Doppelagenten beim FBI verwickelt gewesen. Das FBI (Federal Bureau of Investigation) ist in den USA Strafverfolgungsbehörde und Inlandsgeheimdienst in einem. 

Portrait der russischen Agentin Anna Chapman, die Ende Juni 2010 in den USA verhaftet wurde
Die russische Agentin Anna Chapman wurde Ende Juni 2010 in den USA verhaftetBild: picture alliance/dpa/S. Karpukhin

Im Gegenzug lieferten die USA Moskau zehn in den USA enttarnte und festgenommene russische Agenten aus. Darunter war Anna Chapman, geborene Kuschtschenko. Nach ihrer Hochzeit mit einem Briten hatte sie die britische Staatsbürgerschaft erhalten.

Ab 2009 lebte Chapman in New York, wo sie als Immobilienmaklerin tätig wurde. Ihre Hauptaufgabe als Spionin bestand darin, in Kreise einflussreicher US-Politiker vorzudringen. Nach dem Austausch wurde Chapman die britische Staatsbürgerschaft entzogen, seitdem lebt sie in Russland, wo sie als Moderatorin bei einem kremlnahen TV-Sender arbeitet.

Regisseur gegen Rebellenkommandeur

Wenige Jahre vor dem umfassenden russischen Einmarsch in die Ukraine gab es am 7. September 2019 auf Flughäfen in Moskau und Kiew einen Austausch verurteilter und inhaftierter Bürger beider Staaten im Format "35 gegen 35". Moskau übergab unter anderem Wladimir Zemach an Kiew, einen ehemaligen Kommandeur der Luftabwehr der selbsternannten "Volksrepublik Donezk", und Kirill Wyschinskij, den Leiter der ukrainischsprachigen Redaktion der russischen staatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

Laut dem internationalen Recherchekollektiv "Bellingcat" galt Zemach als Zeuge des Abschusses der malaysischen Boeing MH17 über dem Donbass, die von Amsterdam nach Kuala Lumpur unterwegs war. Er hatte vermutlich das Flugabwehrraketensystem des Typs Buk, mit dem die Maschine getroffen wurde, versteckt und stand mit denen in Kontakt, die das System bedienten. Nach dem Austausch verweigerte Russland Zemachs Auslieferung an die Niederlande, die gegen ihn im MH17-Prozess bereits Verdacht erhoben hatten. Ukrainischen Medien zufolge ist Zemach in den Donbass zurückgekehrt.

Portrait des ukrainischen Regisseurs Oleg Senzow, der fünf Jahre in russischer Haft war
Der ukrainische Regisseur Oleg Senzow war fünf Jahre in russischer HaftBild: picture-alliance/dpa/T. Weller

Nach Kiew kehrten im Gegenzug 24 Seeleute zurück, die Russland auf dem Schwarzen Meer festhielt, sowie der ukrainische Regisseur Oleg Senzow. Senzow war am 11. Mai 2014 auf der Krim, von der er stammt, von russischen Sicherheitskräften entführt worden. Moskau warf ihm vor, eine Terrorgruppe geschaffen und Anschläge auf der von Russland annektierten Halbinsel geplant zu haben. Im August 2015 wurde Senzow zu 20 Jahren strenger Haft verurteilt. Er beteuerte aber seine Unschuld und erklärte wiederholt, gefoltert worden zu sein. Seit der umfassenden russischen Invasion kämpft Senzow in den Reihen der ukrainischen Armee an der Front.

Soldat gegen Unternehmer

Am 27. April 2022 kehrte Konstantin Jaroschenko, der in den USA wegen Drogenschmuggels zu 20 Jahren Haft verurteilt worden war, nach gut zehn Jahren Haft nach Russland zurück. Der Pilot und Unternehmer, wurde am 28. Mai 2010 in Liberia festgenommen und später in die USA gebracht. Jaroschenko wurde von US-Behörden beschuldigt, einen Transport von vier Tonnen Kokain von Kolumbien nach Afrika geplant zu haben, bestritt aber jegliche Schuld.

Im Gegenzug entließ Moskau den US-Marine Trevor Reed aus dessen Haftstrafe. Der Elitesoldat aus Texas war im August 2019 in Moskau festgenommen worden, weil er angeblich mit zwei Frauen auf der Straße gestritten und sich aggressiv gegenüber Polizisten verhalten hatte. Am 30. Juli 2020 verurteilte ihn ein Moskauer Gericht wegen lebens- oder gesundheitsgefährdender Gewalt gegen einen Beamten zu neun Jahren Gefängnis. Reed beschwerte sich über die Haftbedingungen und trat in einen Hungerstreik. Der Austausch fand in Istanbul statt.

Poster von Trevor Reed in Parade-Uniform auf einem Poster, im Hintergrund das Weiße Hauses in Washington im Jahr 2022
Poster von Trevor Reed in der Nähe des Weißen Hauses in Washington im Jahr 2022Bild: Patrick Semansky/AP/picture alliance

Athletin gegen Waffenhändler

Die Basketballspielerin der US-Nationalmannschaft Brittney Griner wurde am 8. Dezember 2022 am Flughafen Abu Dhabi gegen den russischen Staatsbürger Wiktor But ausgetauscht, der in den USA eine Haftstrafe wegen Waffenhandels verbüßte.

Griner, die für den russischen Spitzenklub UMMC Jekaterinburg spielte, wurde im März 2022 verhaftet. Im Moskauer Flughafen Scheremetjewo wurden im Gepäck der Sportlerin, die aus New York nach Russland zurückkehrte, eine E-Zigarette sowie mit Cannabis-Öl gefüllte Kartuschen gefunden. Im August wurde sie wegen Drogenschmuggels und -besitzes schuldig befunden. Sie wurde zu neun Jahren Haft und einer Geldstrafe von einer Million Rubel (umgerechnet rund 10.000 Euro) verurteilt.

Der Waffenhändler Wiktor But mit Zeitschriften in der Hand und einer Jacke über dem Arm steigt eine Treppe in ein Flugzeug hinauf
Der Waffenhändler Wiktor But beim Austausch in Abu Dhabi im Dezember 2022Bild: SNA/IMAGO

Wiktor But wird als "Waffenbaron" und "Händler des Todes" bezeichnet. Im Jahr 2008 lockten Agenten der US-Anti-Drogenbehörde DEA But nach Bangkok. Dafür gaben sich als kolumbianischer FARC-Rebellen aus, die an modernen Waffen interessiert seien. Am 6. März desselben Jahres wurde er von der thailändischen Polizei festgenommen und Mitte November 2010 an die USA ausgeliefert. Am 5. April 2012 verurteilte ein Bundesgericht in New York But zu 25 Jahren Gefängnis.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk