Spitzenplatz mit Frauen
18. Juni 2018Es ist eine erstaunliche Karriere. Ines Spanier arbeitete in der DDR als Agraringenieurin bei einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, einer LPG. Unternehmerische Freiheit war bei dem Staatsbetrieb kein Thema. Dass die resolute Sächsin mit dem fröhlichen Lachen selbst einmal ein Unternehmen gründen würde, schien deshalb nicht sehr wahrscheinlich. Doch heute redet die 52-jährige davon, dass sie "einen guten Pitch" gemacht hat und wie sehr sie sich über ihre wachsende Kundschaft in Italien, Spanien oder Frankreich freue.
Die große Chance
Ines Spanier ist vor einigen Monaten ins E-Commerce Geschäft eingestiegen. Sie verkauft ihre Waren über Amazon, Ebay und über einen eigenen Webshop. "Alles geht so schnell", sagt sie und kommt kaum mit den Neueinstellungen hinterher. Gerade hat sie einen Studenten engagiert, der ihr bei der digitalen Infrastruktur helfen soll, vor wenigen Wochen stellte sie zwei neue Mitarbeiter ein.
Dabei vertreibt die Unternehmerin ein sehr spezielles Produkt: Folien für die landwirtschaftliche Industrie. Viele Jahre tat sie das mit einigen Mitarbeitern, immer nah am Kunden. Von der digitalen Welt und vom E-Commerce wusste sie wenig. Doch eines Tages analysierte sie die Wachstumsmöglichkeiten für ihr Unternehmen. "Ich wusste, das ich etwas ändern muss, immer nur so weitermachen wie bisher reichte nicht aus, es schien mir auch zu langweilig und dann hörte ich von dem Projekt 'Unternehmerinnen der Zukunft' ", erzählt Spanier im Gespräch mit der DW.
Amazon und die Unternehmerinnen
Die Initiative wurde vom Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU), Global Digital Women, der Brigitte Academy und Amazon gestartet. Unternehmerinnen, die weniger als 20 Mitarbeiter haben, können sich für das Programm bewerben. Werden sie ausgewählt, erhalten sie über sechs Monate ein umfangreiches Training durch E-Commerce-Experten. 18 Unternehmerinnen nehmen derzeit an dem Förderprogramm teil.
"Uns liegt es am Herzen, dass Deutschland einen Spitzenplatz in der Digitalisierung einnimmt. Und das schaffen wir alle nur gemeinsam. Frauen sind perfekt gewappnet für das Unternehmertum im digitalen Zeitalter, in dem kreative Ideen, Experimentierfreude und maximale Kundenorientierung wichtig sind", begründet Christian Blum von Amazon Deutschland das Engagement des Handelsriesen für dieses Projekt.
Aber begeben sich die Frauen mit der Teilnahme am Förderprogramm nicht in Abhängigkeit von Amazon? Schließlich werden viele Produkte der Unternehmerinnen anschließend auf Amazon Marketplaces angeboten. Ines Spanier lacht über diese Frage. "Meinen Sie, ich verkaufe nur über Amazon? Natürlich nicht. Ich habe jetzt auch meinen eigenen Webshop und nutze auch andere digitale Plattformen. Aber die Trainingseinheiten, die Gespräche mit den Coaches und die Möglichkeit die Logistik von Amazon zu nutzen, haben mir gerade am Anfang sehr geholfen."
Mit Fashion erfolgreich
Nilce Schlegel-Palmisano kann dem nur zustimmen. Die 34- jährige Brasilianerin hat eine eigene Hosenmarke unter dem Namen 'Malucas' etabliert. Malucas ist portugiesisch und bedeutet verrückt. Ein wenig verrückt schien auch der Wunsch von Schlegel-Palmisano, die heute in Baden-Württemberg lebt, ausgerechnet im Fashionbereich erfolgreich zu sein. Zunächst verkaufte sie nur einige Hosen am Tag, dann wurde auch sie Teilnehmerin des Programms 'Unternehmerin der Zukunft'.
"Man konnte mich im Internet nicht finden. Durch das Programm habe ich gelernt, wie man digital eine Marke etabliert. Das war sehr anstrengend, aber wenn man heute 'Malucas' eingibt, komme ich bei Google gleich ganz vorne", erzählt sie stolz. Die Jungunternehmerin ist ständig an ihrem Mobiltelefon und entschuldigt sich dafür. "Ich habe einen eigenen Instagram-Kanal, einen Facebook-Auftritt, die Website, ständig bin ich mit meinen Kunden in Kontakt." In den ersten fünf Monaten dieses Jahres hat sie bereits so viele Hosen verkauft wie im gesamten letzten Jahr zusammen. Jetzt beschäftigt sie drei Mitarbeiter.
Eine Schwedin gibt Tipps
"Das Internet bietet so viele Möglichkeiten für Unternehmerinnen", schwärmt Anna Nordlander, die sich als Expertin beim Projekt 'Unternehmerin der Zukunft' engagiert. 'The friendly Swede', der freundliche Schwede, heißt das Unternehmen, an dessen digitalen Erfolg sie jahrelang mitgearbeitet hat. Es verkauft unter anderem Taschen, die von schwedischen Designern entworfen wurden.
Jetzt will Anna Nordlander ihr Wissen weitergeben. Leicht sei der Schritt in die digitale Welt allerdings nicht. "Wenn etwas heute funktioniert, kann es in drei Monaten schon nicht mehr funktionieren. Man muss sehr, sehr schnell sein", betont sie.
Ines Spanier kann das nicht erschrecken. Die Sächsin arbeitet schon am Aufbau einer weiteren Marke. 'Farmers Fun' soll sie heißen und sich an Kunden mit eigenem Garten richten. Erste Produkte für ihren neuen Webshop testet die Unternehmerin gerade.