Sport in die erste Reihe!
11. Juni 2014Eigentlich brauchen wir Deutschen die WM doch gar nicht. Wir sind doch schon Weltmeister: im Schlechtreden. Noch rollt der Ball gar nicht in Brasilien, doch hierzulande wird bereits die Nase gerümpft und kritisiert, was das Zeug hält. Allerorten hört man: Die WM im Land des Rekordweltmeisters ist viel zu teuer, politisch unverantwortlich, sozial unverträglich, alles andere als nachhaltig. Und dann erst das heiße Wetter da drüben, wer hat das eigentlich bestellt?
Verordneter Gigantismus
Wenn jemand Kritik verdient, dann in erster Linie der Fußball-Weltverband FIFA. Schließlich hat er die WM sehenden Auges an ein Land vergeben, das Probleme hat. An ein schwächelndes Schwellenland. An ein Land, in dem die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderklafft, in dem soziale Konflikte schwelen und nicht entschlossen genug angegangen werden. Brasilien läuft Gefahr, sich mit der WM (und im Nachklang auch noch den Olympischen Spielen) wirtschaftlich, politisch und sozial gründlich zu verheben. Schuld ist der verordnete Gigantismus. Die Ansprüche an den Ausrichter eines sportlichen Großereignisses sind mittlerweile so hoch, dass er sich fast zwangsläufig übernehmen muss. Die Stadien müssen groß und neu sein, Hotels und Mannschaftsquartiere luxuriös, die Infrastruktur perfekt. Kaum ein Land ist noch in der Lage, eine WM auszurichten, ohne rote Zahlen zu schreiben.
Problemfall Blatter
Die FIFA schert das nicht. Sie macht satte Gewinne und feiert sich selbst. Die angekündigte Selbstreinigung nach zahlreichen Korruptionsskandalen verläuft schleppend. Die Umstände rund um die WM-Vergabe 2022 an Katar erwecken eher den Eindruck, dass die FIFA nichts aus ihren Fehlern gelernt hat. Kein Wunder, steht doch an der Spitze mit Joseph Blatter ein Präsident, der förmlich an seinem Stuhl klebt und wohl auch weitere fünf Jahre nicht aufstehen will. Bis auf die Fußballfunktionäre aus Europa scheint das niemanden zu stören. Dabei ist doch offensichtlich: Der Fisch stinkt - wie so oft - vom Kopf her. Blatter zieht die Strippen, also trägt er auch die Verantwortung.
Impulse wären ein Erfolg
Das alles könnte einem schon vorher die Lust auf diese WM vergällen. Doch es hilft, wenn wir die Rahmenbedingungen für ein paar Wochen in die zweite Reihe stellen. Hinter den Sport. Dann könnte die Fußball-WM zu einem Fest werden und aus der Euphorie auch etwas Neues entstehen. Vielleicht gehen von diesem Großereignis sogar Impulse aus, die Brasilien politisch und sozial weiterbringen. Mehr kann Fußball ohnehin nicht leisten - selbst wenn die FIFA ein vorbildlich geführter Verband wäre. Also: Lasst uns Fußball feiern, nicht naiv, sondern mit offenen Augen, aber eben auch mit offenen Herzen! Ohne gleich alles schlechtzureden.