"Sprechen Sie doch Deutsch!"
25. August 2017Das nennt man dann wohl "starken Tobak": Jens Spahn, 37 Jahre alt, CDU-Politiker mit stramm konservativen Ansichten, hat zuletzt öfters über seine Beobachtungen in den jungen Berliner Szenevierteln Auskunft gegeben. Dort seien immer mehr Englisch sprechende "Hipster" anzutreffen, die sich bewusst von anderen Menschen abschotteten, ja, so etwa wie "Parallelgesellschaften" bildeten. So schrieb Spahn jetzt in einem Gastbeitrag im Wochenmagazin "Die Zeit", mitunter sei es gar nicht mehr möglich, etwas auf Deutsch zu bestellen: "Alle, die nicht mithalten können bei der Generation easyJet, bleiben außen vor." In einigen Restaurants halte man es nicht einmal mehr für nötig, deutschsprachige Speisekarten bereit zu halten.
"Provinzielle Selbstverzwergung"
Und am schlimmsten findet Spahn Deutsche, die dabei mitmachen, um ihre Internationalität zu betonen. "Besonders skurril wird es, wenn ich mitbekomme, wie sich Gast und Kellner in einer angesagten 'Location' auf Englisch unterhalten - beide dabei aber einen fetten deutschen Akzent erkennen lassen." Spahn bezeichnet das als "provinzielle Selbstverzwergung" – mitten in der Großstadt. Sein Fazit: "Wir verlangen von Migranten mit Recht, dass die Deutschkurse absolvieren, um sich zu integrieren. Währenddessen verlegen sich die Großstädte hipsterhaft auf Englische und schotten sich so von Otto Normalverbraucher ab."
Kleine, erfolgreiche Firmen in der Provinz
Hipster, das steht für junge, erfolgreiche, meist ungebundene Kosmopoliten, zumeist vielsprachig. Aber dennoch sind sie für Spahn nicht die Träger des wirtschaftlichen Erfolges in Deutschland. Sondern das sind kleinere Firmen außerhalb der großen Städte: "Hier findet man eher solide, mittelständische Betriebe, die dafür aber international extrem erfolgreich sind. Es mag überraschen: Aber es sind diese kleine Orte in Hessen, im Schwarzwald oder auch im Münsterland, in meiner Heimat, wo oftmals wirklich kosmopolitisch gedacht, gewirtschaftet oder gehandelt wird."
"Jensspahn would appreciate too!"
Soviel Kampfbereitschaft für die deutsche Sprache blieb in den sozialen Medien natürlich nicht unkommentiert. Bei Twitter antworteten nicht wenige derjenigen, die sich selbst offenbar als Hipster sehen, auf Spahns Provokationen. "Ich habe heute schon mit einem Menschen meines Alters Englisch gesprochen. Hoffentlich schimpft @jensspahn nicht mit mir", heißt es da. Und ebenfalls mit Humor nahm das Finanzministerium die Diskussion, in dem Spahn als parlamentarischer Staatssekretär arbeitet. "Hello Hipsters, come join us for our open day. Jensspahn would appreciate it too". Übersetzt: "Hallo Hipster, nehmt doch an unserem Tag der offenen Tür teil. Das würde Jens Spahn auch begrüßen."
Spahn - eigentlich ein Hipster!
Das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Denn Spahn ist einerseits ein sehr konservativer junger Mann, der wenig Ängste kennt. So kritisierte er vor zwei Jahren die offene Flüchtlingspolitik seiner Parteichefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel - als einer von wenigen CDU-Politikern. Andererseits könnte Spahn sogar selbst als Hipster bezeichnet werden: Er spricht selbst sehr gut Englisch, besitzt zwei akademische Abschlüsse und absolvierte das "Young Leader Program" des American Council on Germany. Und nicht wenige setzten auf Spahn, wenn die CDU sich irgendwann einmal nach der Merkel-Ära neu erfinden muss.