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Spätfolgen des Kolonialismus

Peter Philipp6. Juli 2002

Am 5. Juli 2002 feierte Algerien den 40. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Die Loslösung von der Kolonialmacht Frankreich im Jahre 1962 erfolgte erst nach einem achtjährigen verlustreichen Krieg.

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40 Jahre Algerien: Das Land findet keinen Ausweg aus der GewaltBild: AP

Es war eine "Unabhängigkeit in Raten": Im März 1962 hatte Frankreich unter General Charles de Gaulle in Evian einem Waffenstillstand mit der algerischen Befreiungs-Organisation FLN zugestimmt. Im Juni wurde diese Vereinbarung von einer überwiegenden Mehrheit der Franzosen - 91 Prozent - in einer Volksabstimmung akzeptiert. Und am 1. Juli folgte ein algerisches Referendum, bei dem 6 der 6,5 Millionen Stimmberechtigten für die Unabhängigkeit stimmten. De Gaulle gab deswegen für den 3. Juli die Unabhängigkeit Algeriens bekannt, die Algerier selbst ließen sich aber noch etwas Zeit: Sie verkündeten ihre Unabhängigkeit am 5. Juli 1962.

Teil des französischen Staatsgebietes

Ein symbolträchtiges Datum, denn an diesem Tag hatten - 132 Jahre zuvor - die Franzosen ihre Herrschaft über dieses nordafrikanische Land begründet. Frankreich landete im Juni 1830 Truppen unweit von Algier. Vier Jahre nach der Invasion erklärte Louis Philippe die französisch kontrollierten Gegenden Algeriens zur Kolonie unter der Führung eines Generalgouverneurs.

Die folgenden Jahrzehnte waren bestimmt von französischer Ansiedlung in Algerien. Bald waren die wichtigsten Landstriche fest in der Hand französischer Großgrundbesitzer, während in den Städten ein französisches Bürgertum heranwuchs. Beides drängte die muslimische Bevölkerung gesellschaftlich, politisch und kulturell immer mehr in den Hintergrund.

Gegen solch restriktive Herrschaft kam es schon früh zu Rebellionen und regionalen Aufständen. Es sollte aber noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dauern, dass algerische Intellektuelle und ehemalige algerische Offiziere der französischen Armee begannen, auf die Loslösung und Unabhängigkeit ihres Landes von Frankreich hinzuarbeiten. Ein Vorgang, der umso tiefgreifender war, als Frankreich Algerien längst nicht mehr als Kolonie, sondern als Teil des Staatsgebietes behandelte.

Beginn des Freiheitskampfes

Die nationalistischen Bestrebungen stießen in Frankreich auf Ablehnung. Und es dauerte nicht lange, bis im November 1954 die ersten bewaffneten Überfälle den Beginn des algerischen Freiheitskampfes signalisierten. An der Spitze stand die "FLN" - die Nationale Befreiungs-Front unter Ahmed Ben Bella, der im Zweiten Weltkrieg noch in der französischen Armee gedient hatte.

Der Krieg dauerte acht Jahre, obwohl sich bald herausstellte, dass er für Frankreich nicht zu gewinnen war. Aber Frankreich ging zunächst mit größter Härte gegen die FLN und verdächtigte Sympathisanten vor: Rund 200.000 Algerier kamen bei diesen Kämpfen um, Millionen wurden zwangsumgesiedelt. Aber auch fast eine halbe Million französischer Soldaten konnten den Krieg nicht für sich entscheiden.

"Pieds noirs" zwischen den Fronten

1959 versuchte General de Gaulle noch, einen Mittelweg zwischen der "französischen Lösung" der Algerien-Franzosen ("Pieds Noirs") und der FLN zu finden. Beide Seiten aber lehnten ab - und De Gaulle ließ seinen anfänglichen Slogan von "Algérie Francaise" zu Gunsten dem der "Selbstbestimmung" fallen.

Ein Aufstand der "Pieds Noirs" und eine Rebellion in der Armee folgte. Beides wurde aber niedergeschlagen und die Dinge nahmen ihren Lauf: Im Mai 1961 wurden in Evian am Genfer See Verhandlungen mit der FLN wieder aufgenommen, die schließlich in das Waffenstillstandsabkommen vom März 1962 mündeten. Von diesem Punkt war es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis Algerien seine Unabhängigkeit erlangte. Und eine Frage des "richtigen" Termins.