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Sri Lanka vor den Parlamentswahlen

Friedemann Schlender5. Dezember 2001

Für Präsidentin Kumaratunga geht es um die Festigung der Macht. Entscheidend könnte das Wahlverhalten der tamilischen Minderheit sein.

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Beten für den FriedenBild: AP

Eigentlich könnte sich Präsidentin Chandrika Kumaratunga zurücklehnen und in Ruhe abwarten, wie die Wähler am 5. Dezember entscheiden werden. Als Präsidentin kann sie ohnehin bis 2005 im Amt bleiben. Von Gelassenheit aber keine Spur, denn in den Neuwahlen zum Parlament versucht sie verzweifelt das Parteienbündnis zu stabilisieren, dem Frau Kumaratunga ihre politische Autorität verdankt: der Volksallianz ('People's Alliance'). Diese wiederum ist aus der 'Srilanka Freedom Party' hervorgegangen, an deren Spitze 21 Jahre lang Mitglieder ihrer Familie standen, darunter ihr Vater, der 1959 ermordete Premierminister Soloman Bandaranaike, und ihre Mutter Sirimavo Bandaranaike, der 1960 als erste Frau der Welt das Amt der Premierministerin übertragen wurde.

Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen

In den Parlamentswahlen geht es aus der Sicht der Präsidentin um vieles: um den Machtanspruch der zweiten Generation der Bandaranaike-Dynastie, um Grundfragen des ethnischen Konflikts zwischen den Singhalesen und Tamilen und vor allem um die Rückgewinnung verlorener Machtpositionen. Schließlich kam Frau Kumaratunga am 11. Oktober mit der Auflösung des Parlaments dem drohenden Misstrauensvotum zuvor. Zu diesem Schritt sah sie sich veranlasst, nachdem mehrere Abgeordnete ihr wackliges Regierungsbündnis verlassen hatten.

Thema Nummer eins für die Wähler ist der seit 18 Jahren andauernde Bürgerkrieg. Zwar sah sich die Präsidentin unter dem militärischen Druck der Tamilen-Kämpfer im August 2000 gezwungen, den Minoritäten gewisse Zugeständnisse in Richtung Selbstverwaltung zu machen. Die Terroraktionen der militanten Tamilen konnte sie aber nicht zügeln. Die versprochenen Fortschritte bei der Befriedung des Landes blieben aus. In den 18 Jahren forderte das Gemetzel zwischen den sogenannten Befreiungstigern und der Armee etwa 68.000 Menschenleben.

Parteienbündnis mit fragwürdigen Partnern

Zur Machterhaltung zimmerte sie ein seltsames Parteienbündnis zusammen. Der fragwürdigste Koalitionspartner ist die Marxistische Volksbefreiungsfront ('Marxist People's Liberation Front', JVP), die in den Jahren 1971 und 1987 in brutalen Revolten junge Leute zu massenhaften Mordtaten gegen das sogenannte Establishment aufwiegelte. Seit einiger Zeit aber präsentieren sich die Marxisten als salonfähig. Im ethnischen Konflikt gelten sie aber Blockierer. Sie lehnen kategorisch die norwegische Vermittlungsmission ab, die den Ausgleich zwischen den Singhalesen (74 Prozent der Bevölkerung) und der tamilischen Minderheit (18 Prozent) sucht.

Das Oppositionsbündnis Vereinigte Nationalpartei ('United National Party', UNP) von Herausforderer Ranil Wickramasinghe dagegen ist bereit, sofort und ohne Vorbedingungen mit den 'Befreiungstigern von Tamil Eelam' (LTTE) zu verhandeln. Auch zu einer Übergangsverwaltung in der Tamilenregion im Westen und Nordens des Landes wurde Bereitschaft signalisiert. Diese Signal der Flexibilität gewinnt an Gewicht nach der jüngsten Erklärung des LTTE-Führers Velupillai Prabhakaran, die erstmalig Verhandlungen ohne Forderung nach einem eigenen Tamilenstaat in Aussicht stellt. Diesmal blieb auch die sonst vor den Wahlen ausgesprochene Instruktion der Untergrundorganisation an die tamilische Bevölkerung aus, die Wahlen zu boykottieren.

Löwe und brüllender Tiger

Die Volksallianz brandmarkte das bereits als Komplott der Opposition mit der Tamilen-Organisation gegen das Regierungsbündnis. Das ist Wahlkampfrhetorik. Dennoch könnten nach dem Ende der traditionellen Wahlabstinenz der Tamilen die Stimmen der tamilischen Minderheit diesmal das oppositionelle Parteienbündnis in eine bessere Position bringen als in den Wahlen zuvor. Wer immer auch als Sieger hervorgehen wird, es besteht wenig Hoffnung, daß sich in absehbarer Zeit der brüllende Tiger, das Symbol der tamilischen Untergrundbewegung, und der Löwe der Staatsflagge Sri Lankas nicht mehr als unversöhnliche Wesen gegenüberstehen.