Staatsmonopol auf Wässerchen?
19. Juli 2005Zahlreiche Sprüche und Volksweisen rangen um das russische Nationalgetränk, etwa wie: "Ein Tag ohne ein Gläschen (Wodka) ist ein verlorener Tag." Der Wodka gibt und der Wodka nimmt, heißt es auch. Auf der Minusseite stehen vor allem die rund 40.000 Menschenleben, die der exzessive Genuss von Hochprozentigem jährlich fordert. Meist ist es billiger gepanschter Fusel, der die Russen dahinrafft. Über einhundert verschiedene Wodka-Sorten gibt es in Russland, und inzwischen ist sogar ein "Wässerchen" nach dem russischen Präsidenten Wladimir Putin benannt. "Putinka", heißt die Marke und sie verkauft sich gut.
Der Präsident als Vorbild
Doch anders als sein Vorgänger im Amt, spricht Wladimir Putin dem russischen Nationalgetränk nicht sonderlich zu. Während gewöhnliche Russen sich an die Standardnorm von mindestens 50 Gramm auf "Ex" halten, sieht man das Staatsoberhaupt höchstens bei offiziellen Anlässen hin und wieder mal an einem Gläschen nippen.
Als Landesvater will Putin für die Landeskinder natürlich nur das Beste. Und weil eben so viele Russen an minderwertigem Fusel zugrunde gehen, regte der Präsident kürzlich an, den Verkauf von Hochprozentigem wieder per Staatsmonopol zu regeln. "Das heute existierende Kontrollsystem der Alkoholproduktion funktioniert nicht, es ist zu korrupt", stellte Putin lapidar fest.
Einträgliches Monopol
Erst Boris Jelzin hatte 1992 das jahrhundertealte Monopol des Staates auf Wodka abgeschafft. Sowohl zu Zaren- als auch zu Sowjetzeiten hatte sich das Monopol auf die Produktion und den Verkauf von Wodka als äußerst einträglich erwiesen. Unter den russischen Zaren finanzierte der Wodka bis zu 40 Prozent des Staatshaushaltes. Als der erste und letzte sowjetische Präsident Michail Gorbatschow Mitte der achtziger Jahre dem Wodka der Volksgesundheit wegen den Kampf ansagte und die Russen aufs "Trockene" setzen wollte, riss er schwere Löcher in den Staatshaushalt.
Zurück zum Alkohol
Die Russen verachteten den "Mineralsekretär" für die Prohibition und stiegen um auf selbstgebrannten Schnaps (Samogon). In ihrer Verzweifelung tranken die Hartgesottenen sogar Bremsflüssigkeit oder sowjetisches Parfum der Marke "Odekolon". Vor allem der Staatsfinanzen zuliebe musste Gorbatschow das Experiment "Russen ohne Alkohol" wieder abbrechen.
Inzwischen spülen die Alkoholproduktion und die Einnahmen durch Abgaben auf Wodka rund 1,6 Milliarden Euro in die Staatskasse. Zwischen drei und fünf Prozent beträgt heute der Anteil der Alkoholsteuern an den Staatseinnahmen. Als Motiv für Putins Vorstoß, den Russen künftig ausschließlich staatlich garantiert reinen Wodka einzuschenken, sehen viele Russen weniger die Sorge um die Volksgesundheit als vielmehr finanzielle Interessen. Putin wolle die wichtigsten Finanzströme in Richtung des Kreml führen, vermutete die russische Internetzeitung Newsru.com. "Erst hat er den Staat zum wichtigsten Öl- und Gasproduzenten gemacht, nun wäre es nur logisch", so Newsru.com, "auch die Alkoholindustrie zu übernehmen."
Umstrittener Nutzen
Experten vermuten, dass die Rückkehr zum staatlichen Wodka-Monopol für die Volksgesundheit mehr Schaden als Nutzen bringen würde. Zu lukrativ ist das Geschäft mit dem Wässerchen, als dass die heutigen Produzenten diesen Markt dem Staat überlassen würden. Kommt das Monopol, wie von Putin angekündigt, dürfte der Anteil des schwarz gebrannten Wodkas wieder massiv ansteigen.