Standard & Poor's verliert deutsche Kunden
22. November 2012Bröckelt da ein Imperium? Kurz nach dem Bonner Logistikriesen Deutsche Post DHL hat am Donnerstag (22.11.2012) auch der Baustoffhersteller HeidelbergCement seinen Vertrag mit der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) gekündigt. Damit trauen sich gleich zwei im Deutschen Aktienindex DAX gelistete Konzerne, künftig auf Bewertungen des Branchenriesen S&P zu verzichten.
Während die Post verlauten ließ, man haben sich "aus kommerziellen Gründen entschieden, die langjährige Zusammenarbeit mit S&P mit sofortiger Wirkung zu beenden", machte der Heidelberger Baustoffhersteller keine Angaben zu den Gründen: "Das geht alleine die Vertragsparteien etwas an", sagte ein Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Es seien allerdings keine "kommerziellen Gründe", wie sie die Post ins Feld geführt hatte.
Auf Ratings angewiesen
Dennoch glauben viele Beobachter, dass die Preispolitik von S&P auch bei weiteren Unternehmen dazu führen könnte, der Ratingagentur den Rücken zu kehren. Was nicht ganz einfach ist, denn Unternehmen, die sich über Anleihen refinanzieren und ein weltweites Investorenpublikum ansprechen wollen, kommen in der Regel nicht darum herum, sich von den großen Drei der Branche bewerten zu lassen.
Den Markt für die Benotung der Kreditwürdigkeit von Staaten und Unternehmen teilen sich drei Finanzdienstleister unter sich auf: Der US-Ratingriese S&P beherrscht 40 Prozent des Marktes, sein US-Konkurrent Moody's kommt ebenfalls auf 40 Prozent, und der amerikanisch-französische Finanzdienstleister FitchRatings kommt auf einen Marktanteil von 15 Prozent. Nur fünf Prozent des Marktvolumens entfallen auf eine Reihe kleiner, nationaler und auf Marktnischen spezialisierter Anbieter.
Preisschraube überzogen?
S&P scheint jedoch seine Marktmacht in diesem Oligopol überschätzt zu haben. Schon im Frühjahr hatten sich elf deutsche Großkonzerne, darunter neben der Post auch Siemens und Volkswagen, in einem Brief an S&P über die Preispolitik der Amerikaner beklagt. Ihre Gebührenvorstellungen würden auf eine Verdoppelung der Preise hinauslaufen und seien daher vollkommen inakzeptabel, hieß es. Doch bislang haben man "immer nur die Faust in der Tasche geballt", zitiert die Financial Times Deutschland den Ratingverantwortlichen eines DAX-Konzerns.
"Mehr Wettbewerb würde dem Rating-Markt gut tun", schrieb kürzlich Michael Kemmer, Geschäftsführender Vorstand des Bankenverbandes zur Idee einer europäischen Ratingagentur. "Aber die Rahmenbedingungen dafür sind anspruchvoll, ein Scheitern des Projekts ist nicht auszuschließen." Denn wer auch immer auf diesem Feld mitspielen will, kommt an der Marktmacht der großen Drei nicht vorbei.
Moody's und Fitch bleiben im Boot
Wer auf eine Bewertung durch eine der großen drei Agenturen verzichten will, muss entweder über eine erstklassige Bonität verfügen oder ist auf absehbare Zeit nicht auf die Fremdfinanzierung durch globale Investoren angewiesen. Beides scheint auf die Post und HeidelbergCement zuzutreffen. Beide wollen sich übrigens weiterhin von Mood'y und Fitch bewerten lassen, wobei FitchRatings mit der Deutschen Post DHL einen Neukunden begrüßen kann.
Prompt hat denn auch Fitch die Bonitätseinschätzung des Neukunden mit "BBB+" bestätigt. Der Ausblick für den Logistikriesen bleibe stabil. Fitch bescheinigt den Bonnern eine dominante Marktstellung im deutschen Brief- und Paketgeschäft sowie eine starke globale Position im Fracht- und Expressgeschäft. Von Moody's werden die Bonner Logistiker derzeit mit "Baa1" eingestuft. Moody's hatte den Ausblick für die Post Ende September auf "positiv" angehoben - da kann man es sich offenbar leisten, auf die Dienste von S&P zu verzichten.