Franziskus' genialer Schachzug
27. April 2014Denn beide Päpste stehen für gegensätzliche Positionen in der Weltkirche. Dazwischen hat sich der amtierende Papst nun positioniert. Ein genialer diplomatischer Schachzug.
Johannes Paul II., wegen seiner Reisetätigkeit zu Lebzeiten auch "Eiliger Vater" genannt, profilierte sich in der politischen Einigung Europas. Zugleich schwor er die Weltkirche auf einen konservativen Kurs ein. Johannes XXIII. hingegen riss, wie es ein Kirchenhistoriker formulierte, "Türen und Fenster auf, um frischen Wind in die Kirche zu lassen". Er initiierte das Zweite Vatikanische Konzil mit seinen Reformen und sorgte so für eine Öffnung hin zu den Menschen.
Eine Heiligsprechung fällt auf den jeweils heiligsprechenden Papst zurück, auch wenn er das Verfahren nicht selbst begonnen hat. Er offenbart so sein eigenes Amtsverständnis. Der polnische Konservative hier, der italienische Reformer dort - zwischen diesen Gegensätzen verortet sich Franziskus. Doch betont er nicht das Gegensätzliche. Der Amtsinhaber will beide Pontifikate als komplementär, als ergänzend verstanden wissen.
Das ist klug. Nur so baut Franziskus Brücken, was dringend nötig ist. Denn die Begehrlichkeiten im Kirchenrund sind groß. Nach dem Amtsantritt des bescheidenen Charismatikers Franziskus vor einem Jahr hat hinter den Kulissen des Vatikan - und nicht nur dort - ein eisernes Tauziehen zwischen Traditionalisten und Reformern eingesetzt. Franziskus' nächste Schritte - bei der Synode zur katholischen Sexualmoral im Herbst oder beim Thema Dezentralisierung kirchlicher Entscheidungen - werden zeigen, wie weit sein Mut zu Reformen reicht. Und wer in der Kirche seinem Weg folgt.
Mit der Doppel-Heiligsprechung hat Papst Franziskus sich nicht festgelegt. Aber er hat sich - für alle sichtbar - alle Optionen offen gehalten.