Beethovenfest 2018: ein schicksalhafter Jahrgang
31. August 2018"So pocht das Schicksal an die Pforte!" Mit diesen Worten soll Ludwig van Beethoven das Hauptthema seiner Fünften Sinfonie beschrieben haben. Überliefert ist die Anekdote durch seinen persönlichen Sekretär und ersten Biographen Anton Schindler, der für seine blühende Fantasie bekannt war. Schon deshalb kann der Wahrheitsgehalt dieses Bonmots angezweifelt werden.
Geblieben ist aber der Beiname "Schicksalssinfonie", der wiederum als Ausgangspunkt für das Programm des Bonner Beethovenfests dient. "Alles Erhabene, Monumentale, Heroische, das man mit Beethoven in Verbindung bringt, leitet sich davon ab", sagte Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner bei der Vorstellung des Festivalprograms in Bonn. "Schicksal ist nicht Zufall", fügte sie hinzu und zitierte einen Ausspruch des selbstmordgefährdeten Künstlers aus dem Jahr 1802: "Es fehlte wenig, und ich endete mein Leben. Nur die Kunst hielt mich zurück…Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen."
Beethoven zu den Menschen bringen
Über 2.000 Künstlerinnen und Künstlern werden zwischen dem 31. August und dem 23. September beim Beethovenfest auftreten. Aus der Not einer fehlenden zentralen Spielstätte – die Beethovenhalle wird noch saniert – machte der Bonner Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan eine Tugend: Das Vorjahresfestival 2017 habe Vorbildcharakter, sagte er. "Durch die Bespielung verschiedener Orte in der Stadt und Umgebung hat das Beethovenfest die Musik zu den Menschen gebracht."
Dementsprechend findet das Beethovenfest auch 2018 an 25 verschiedenen Orten statt. Mit einem Gesamtetat von 4,6 Millionen Euro beschrieb Sridharan den 1,6 Millionen Euro starken städtischen Zuschuss als "bescheidenen Beitrag" für ein Festivalprogramm, das "in Bezug auf Qualität seinesgleichen sucht." Bei der Pressekonferenz in Bonn am 31. August vor dem Festivalauftakt kundigte der Bonner Kulturdezernent Martin Schumacher die mittelfristige Fortschreibung des städtischen Zuschusses an - auch über das Jubiläumsjahr 2020 hinaus, in dem der 250. Geburtstag des Komponisten mit einem besonderen Fest gefeiert wird.
Immer wieder die Fünfte
Das zentrale Werk des Festivals ist Beethovens Sinfonie Nr. 5, die gleich mehrfach auf dem Programm steht: auch beim Eröffnungskonzert mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France. Am 8. September erklingt sie dann wieder in einem Gastspiel mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment aus Großbritannien. Am 12. September spielt das Klavierduo Jost & Costa eine fast skurril anmutende Version von Beethovens Fünfter für zwei Klaviere zu acht Händen. Und schließlich wird sie am 15. September im Rahmen des Schülermanager-Konzerts mithilfe von Computertechnik auf einer Leinwand visualisiert.
Vom Namensgeber des Festivals stehen neben der Fünften Sinfonie auch die Erste und Achte Sinfonie auf dem Programm, ferner die Leonoren-Ouvertüren, die ersten vier Klavierkonzerte und die fünf späte Klaviersonaten. Letztere werden vom berühmten Pianisten Andras Schiff und seinem einstigen Schüler Dénes Várjon zusammen mit Klaviermusik von Franz Schubert, Robert Schumann, Béla Bartók, Alban Berg und anderen wiedergegeben.
Historischer Klang und neue Musik
Das assoziationsreiche Motto "Schicksal" beschränkt sich natürlich nicht nur auf Ludwig van Beethoven. So spielt das Programm auch auf Schicksalsmomente im Leben anderer Komponisten, auf dramatische Geschichten und letzte Werke sowie auf Kriegserlebnisse und Trauerfälle an. Beispiele dafür sind etwa das "Quartett für das Ende der Zeit", das der französische Komponist Olivier Messiaen 1940 in deutscher Kriegsgefangenschaft komponierte, oder Sinfonien von Anton Bruckner und Dmitri Schostakowitsch, die in besonderer Weise das Thema Schicksal bearbeiten. Leoš Janáčeks im hohen Alter geschriebene "Glagolitische Messe", "Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuz" von Joseph Haydn oder die Fünfte Sinfonie von Gustav Mahler mit ihrem berühmten Trauermarsch gehören ebenfalls in den Reigen der musikalischen Auseinandersetzung berühmter Komponisten mit dem Leben, dem Schicksal und den letzten Dingen.
Für jeden etwas: 57 Veranstaltungen stehen auf dem Programm
Dass Bonn die Geburtsstadt Ludwig van Beethovens ist, ist vielen bekannt; welche Musik er hier in der Hofkapelle spielte, allerdings weniger. Das soll sich ändern: Dem musikalische Kontext des heranwachsenden Komponisten wird in verschiedenen Konzerten mit dem Titel "Rheinischen Originalklang" nachgegangen. Ferner wird im Programm an die Niederrheinischen Musikfeste erinnert, die vor 200 Jahren gegründet wurden. Diese gesellschaftlich und künstlerisch hochrangigen Veranstaltungsreihen fanden damals in verschiedenen Städten der Umgebung statt und trugen dazu bei, den Begriff "Musikfestival", wie wir ihn heute verstehen, zu prägen.
Inspiriert von Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 schreibt der österreichische Komponist Bernhard Lang im Auftrag des Beethovenfests ein neues Konzert für Klavier und Orchester. Am 6. September wird es vom MDR-Sinfonieorchester und dem italienischen Ausnahmepianisten Marino Formenti unter Leitung von Stefan Asbury uraufgeführt.
Angekündigt sind auch Auftritte verschiedener Tanzgruppierungen wie das Ballet de Lorraine mit Werken der legendären amerikanischen Choreographen Twyla Tharp und Merce Cunningham.
Für die 57 Veranstaltungen sind 31.000 Karten zu einem Durchschnittspreis von 36 Euro im Angebot. 39 Prozent des Jahresetats des Bonner Beethovenfests kommt aus öffentlichen Zuwendungen, der Rest wird aus Sponsorenzuschüssen und Kartenverkauf erwirtschaftet.