Startups: Paris ist angesagter als Berlin
21. Oktober 2019Paris hat Berlin als Gründer-Metropole überholt und liegt europaweit jetzt auf Platz Zwei. Unangefochten an Europas Spitze bleibt London. Das zeigt das "Startup-Barometer" der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Die Studie, eine Analyse der Investitionen in europäische Startups, bewertete ausschließlich Unternehmen, die nicht älter als zehn Jahre sind.
Im ersten Halbjahr 2019 warben Startups aus der französischen Hauptstadt rund 2,2 Milliarden Euro von Investoren ein. Damit zogen sie an Wachstumsfirmen aus Berlin vorbei, die 2,0 Milliarden Euro einsammelten.
Im Jahr 2018 hatte sich Berlin mit 2,6 Milliarden Euro Investments in Startups noch knapp vor Paris (2,5 Milliarden) behauptet. Die französische Hauptstadt hatte da aber schon rasant aufgeholt. 2017 hatte sie noch deutlich hinter Berlin gelegen.
Die Hoffnung aufs große Geld
Wachstumsfirmen sind bei ihrer Expansion häufig auf Geld von Investoren angewiesen, da sie am Anfang in der Regel noch keinen Gewinn schreiben. Fonds und große Unternehmen stecken Wagniskapital in verheißungsvolle Firmen, in der Hoffnung, dass sich deren Geschäftsideen durchsetzen und ihnen üppige Profite bescheren.
Kleinere Länder holen auf
"Der Finanzierungs-Boom für Jungunternehmen hält an", sagte Hubert Barth, Geschäftsführer von EY in Deutschland, zur Vorstellung der Studie. "Immer mehr Startups erhalten frisches Kapital, und auch die investierten Summen klettern auf Rekordniveau. Gerade sehr große Deals boomen: Europaweit hat sich die Zahl der Transaktionen, bei denen 100 Millionen Euro und mehr geflossen sind, von zwölf auf 26 mehr als verdoppelt."
"Das europäische Startup-Ökosystem ist im ersten Halbjahr noch stärker geworden", ergänzte EY-Partner Peter Lennartz. "Die Dynamik ist beeindruckend und erreicht zunehmend auch kleinere Märkte, die bislang nicht so im Fokus standen. So stieg die Zahl der Finanzierungsrunden beispielsweise in Schweden um 19 Prozent, in der Schweiz um 25 Prozent und in Ungarn um 22 Prozent."
La Grande Startup-Nation
In Frankreich zeige die starke Unterstützung für Startups Wirkung, erklärte Lennartz. Die Regierung verfolge das klare Ziel, Frankreich zum führenden Startup-Standort Europas zu machen, indem bürokratische Hürden für Jungunternehmer abgebaut würden und der Staat Investoren und Gründer zusammenbringe.
So hatte Präsident Emmanuel Macron 2017 erklärt, Frankreich mit staatlicher Hilfe zur "Startup-Nation" machen zu wollen. Er warb auch bei großen französischen Unternehmen um Investments in heimische Startups.
Mehr Wagniskapital
Gründer in Deutschland sind zwar stärker in den Fokus der Politik geraten, kommen aber oft nur schwer an üppige Geldspritzen. Die Förderbank KfW schätzt die Finanzierungslücke in der frühen Wachstumsphase auf bis zu 600 Millionen Euro pro Jahr.
Die Bundesregierung will die Gründerkultur mit staatlich unterstützten Wagniskapitalfonds vorantreiben. Sie hatte mit der KfW auch eine Plattform für Startups ins Leben gerufen, um Gründer und Investoren zu vernetzen, Beratung zu verbessern und Finanzierungen zu erleichtern.
Es gibt noch Hoffnung für Berlin
Allen politischen Unwägbarkeiten zum Trotz: Auf Platz eins in Europa bleibt London. Dort sammelten Gründer 5,7 Milliarden Euro ein und lagen auch bei der Zahl der Finanzierungsrunden mit 323 klar vorn. "Das Brexit-Chaos scheint der Londoner Startup-Szene kaum etwas anhaben zu können", sagte Peter Lennartz. Jeder dritte Euro Wagniskapital floss im ersten Halbjahr an Startups dort.
Das britische Internet-Satelliten-Startup OneWeb bekam in dem Zeitraum auch die größte Finanzspritze in Europa (1,1 Milliarden Euro). Die Berliner Reiseplattform GetYourGuide lag mit 428 Millionen auf Platz fünf, mit Abstand folgte die Smartphone-Bank N26 (266 Millionen). Insgesamt erhielten europäische Startups in der ersten Jahreshälfte die Rekordsumme von 16,9 Milliarden Euro, 62 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Es sei enorm viel Kapital im Markt, das angelegt werden müsse. "Investoren konzentrieren sich auf reifere Geschäftsmodelle und Unternehmen, die bewiesen haben, dass sie ihre Ziele erreichen können", so Lennartz. Die Aussicht auf einen erfolgreichen Ausstieg per Börsengang oder Weiterverkauf erhöhe die Bereitschaft, auf der Zielgeraden nochmal hohe Summen zu investieren.
Im zweiten Halbjahr habe der Boom angehalten. Gerade in Deutschland gab es ein starkes drittes Quartal - Hoffnung also für Berlin.
dk/hf (EY, dpa)