Steinbrück gegen Steinbrück
9. Januar 2013Seit rund 100 Tagen ist Peer Steinbrück Spitzenkandidat der SPD. In dieser Zeit hat der Herausforderer immer wieder negative Schlagzeilen gemacht. Nach ungeschickten oder missverständlichen Aussagen sind seine Umfragewerte immer weiter in den Keller gerutscht, wie Manfred Güllner vom Meinungsforschungsinstitut Forsa beobachtet hat. Im Gespräch mit der DW stellt er acht Monate vor der Bundestagswahl fest: "Die SPD ist durch Steinbrück in einem Zustand, in dem sie froh sein müsste, an die 30 Prozent heranzukommen." Zum Vergleich: Die CDU orientiert sich im Augenblick eher an der 40-Prozent-Marke.
Als wolle er gar nicht Kanzler werden
Er würde niemals einen Rotwein trinken, der nur fünf Euro kostet, sagte Steinbrück beispielsweise im Interview. Wer als Sozialdemokrat Bundeskanzler werden will, verschreckt mit einer solchen Äußerung jene Wähler, die sich nicht einmal einen so billigen Rotwein leisten können.
Steinbrücks Forderung, auch die letzten Ministerien sollten ihre Filialen in der ehemaligen Hauptstadt Bonn schließen und nach Berlin umziehen, ist ebenfalls auf harsche Kritik gestoßen: Mit einer solchen Äußerung kann man im bevölkerungsreichen Bundesland Nordrhein-Westfalen keine neuen Wähler gewinnen.
Dass ein Bundeskanzler im Vergleich zu einem Sparkassen-Direktor wenig verdient, ist nicht neu. Weil Peer Steinbrück aber selbst Bundeskanzler werden will, hat eine entsprechende Interview-Aussage seinem Ansehen kräftig geschadet. Im gleichen Interview hatte er Angela Merkel vorgeworfen, von einem "Frauen-Bonus" zu profitieren. Solche Interviews erwecken den Eindruck, der Kandidat wolle einfach nur viel Geld verdienen und sei außerdem ein schlechter Verlierer.
So kommt der Verdacht auf, Peer Steinbrück torpediere unbewusst seine eigene Kampagne und wolle in Wirklichkeit gar nicht Kanzler werden. Schließlich ist er ein erfahrener Politiker und gilt als überdurchschnittlich intelligent. Aber der Meinungsforscher Manfred Güllner muss feststellen: "Mit jedem Interview ist das Bild negativer geworden. Der Abstand zwischen Merkel und Steinbrück ist so groß wie nie."
Steinbrücks Problem heißt Peer Steinbrück
Volker Kronenberg, Politologe an der Universität Bonn, versucht im Gespräch mit der DW, den Motiven Peer Steinbrücks auf die Spur zu kommen. Für entscheidend hält Kronenberg "die Aura des Unabhängigen": Steinbrück habe sich nie als Parteipolitiker begriffen. Er bestehe darauf, unabhängig zu sein - auch von der Partei, für die er die Wahl gewinnen soll. Dazu komme noch "das Image des Machers, der geradeheraus sagt, was er denkt": Damit wolle er "ein Gegenbild darstellen zur Bundeskanzlerin und zum klassischen Bild des Berufspolitikers".
Das, so Kronenberg, sei das Dilemma des Kandidaten Steinbrück: Er bekomme den Spagat zwischen dem Bild von sich selbst und den Anforderungen des politischen Tagesgeschäfts nicht hin. Wenn er nicht mehr alles so sagen könnte, wie es ihm gerade richtig erscheint, wirke er abgeschliffen und austauschbar. Bliebe er aber so spontan wie bisher, würde er sich weiterhin selbst schaden.
Noch bleibt Zeit
Der Schaden, den Peer Steinbrück in den vergangenen drei Monaten bereits angerichtet hat, ist groß. Das belegt eine Untersuchung des Forsa-Instituts, in der gefragt wurde: Welche Charaktereigenschaften vermuten Sie beim Kanzlerkandidaten? "Da werden nur überwiegend negative Assoziationen sichtbar", stellt Manfred Güllner fest: "Geldgierig, arrogant, ungeschickt, unsympathisch. Und Kompetenz wird bei ihm kaum noch genannt."
Auch Volker Kronenberg weiß um dieses verheerende Bild. Aber das, so ist er überzeugt, müsse nicht zwangsläufig die Bundestagswahl entscheiden: "Es ist noch viel zu früh, das abzuschreiben. Diese Dinge lassen sich noch korrigieren."
Dass es bis zur Bundestagswahl im September noch ein langer Weg ist, auf dem viel geschehen kann, darauf weisen sowohl der Politikwissenschaftler als auch der Meinungsforscher hin. Für Forsa-Chef Manfred Güllner hat sich Peer Steinbrück aber schon eine große Last aufgelegt: "Wenn Geldgier sein Bild dominiert, dann ist es schwer, davon wieder loszukommen."
Volker Kronenberg sieht für Peer Steinbrück durchaus noch Chancen. Es würden sich für den Kandidaten noch Gelegenheiten ergeben, "wo er klare Kante zeigen kann, ohne dass er gleich so einen Malus für sich reklamieren muss." Und es bliebe noch genug Zeit: "Das haben wir immer wieder erlebt, wo es sich noch gewendet hat. Acht oder neuen Monate sind eine sehr lange Zeit."