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Steinhoff: Der wankende Möbelriese

Mischa Ehrhardt Frankfurt am Main
20. April 2018

Dax-Anwärter durch Bilderbuch-Umsätze - so ging der Möbelkonzern Steinhoff in Frankfurt vor zweieinhalb Jahren an die Börse. Heute kehren Aktionäre die Scherben auf. Denn der Konzern hat seine Bilanzen geschönt.

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Deutschland Steinhoff Möbel
Bild: picture-alliance/dpa/M. Assanimoghaddam

Gelb, rot, schrill - so wirken die Werbebanner der Poco-Möbelhäuser. Es finden sich in den Verkaufshallen allerlei vermeintliche Schnäppchen, fast alles für die heimischen vier Wände: Eine Wohnwand namens "Malta", ein Couchtisch "Leona" oder der Schminktisch mit dem vielversprechenden Namen "Bella". Für Aktionäre des Mutterkonzerns Steinhoff allerdings sieht die Lage weder nach Ferien in Malta aus, noch trifft das Attribut "Bella" die Lage im Entferntesten. Eher würde passen: Schreibtisch "Desolata" mit passendem Rotstift inklusive. Denn die Wertpapiere - einst ebenfalls quasi als Schnäppchen gehandelt, sind heute kaum noch das Papier mehr Wert, auf dem sie stehen.

Nummer Zwei nach Ikea

Rückblick: Im Dezember 2015 zahlten Anleger rund fünf Euro für Aktien eines Unternehmens, das kaum jemand zuvor kannte. Doch Steinhoff versprach eine lukrative Anlage: Nach Ikea war die Firma der zweitgrößte Möbelhändler Europas.  Zweistellige Zuwachsraten beim Umsatz verhießen eine ebenso gelb-goldene Zukunft wie die Werbebanner der Poco-Filialen landauf, landab. Das Unternehmen galt sogar als ein Kandidat für den Dax, den Index der 30 wichtigsten Börsenkonzerne hierzulande.

Poco Zentrale Bergkamen
Bild: picture alliance/dpa/G. Kirchner

Es folgte zunächst der Einstieg in die zweite Börsenliga, den MDax. Dann kam der Abstieg. Inzwischen ist das Handelsunternehmen mit niederländischer Rechtsform und operativem Sitz in Südafrika nur ein Schatten früherer Zeiten. Wer heute sagt, dass die Erwartungen in Steinhoff enttäuscht wurden, redet die Dinge schön. Denn von dem einstigen Aktienwert von rund fünf Euro ist nichts geblieben. Rund 18 Cent kosten die Papiere am Tage der Hauptversammlung in Amsterdam noch - für Anleger ein beispielloses Desaster, ein Totalverlust. Nicht umsonst firmiert Steinhoff laut Ansicht der Aktionärsschützer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) als größter Kapitalvernichter des Jahres 2017. Und es ist keine Besserung in Sicht, die Aktien sind zu Zocker-Papieren verkommen, an die sich nur noch traut, wer nichts von seinem Vermögen zu verlieren hat.

Geschönte Bilanz

Bereits in den Tagen des Börsendebuts in Frankfurt rückten die Steuerfahnder an. Mittlerweile ist amtlich: Steinhoff hat seine Bilanzen frisiert: Die Bilanzen des europäischen Geschäfts untersuchen gerade Fachleute. Und Steinhoff selbst hat eingeräumt, dass einige Werte bei weitem nicht den ursprünglichen Angaben entsprechen. Statt einmal angesetzter 2,2 Milliarden sollen die Immobilen des Unternehmen - also die Möbelhäuser und Verwaltungsgebäude des Möbelkonzern nur gut eine Milliarde wert sein. Das pikante gerade an dieser Korrektur: Ein wichtiger Kredit hängt an dieser Schätzung und könnte damit platzen.

Auch andere Werte in der Bilanz dürften geschönt sein - der Konzern kämpft nun ums Überleben. Das Steinhoff-Management muss sich vor seinen Aktionären rechtfertigen. Und die Investoren haben eine Menge Ärger im Gepäck. Eine Gemeinschaft von Ihnen hat in den Niederlanden eine Klage angedroht - der Skandal schlägt Wellen.

Denn jetzt geraten auch jene in den Fokus, die das Unternehmen auf das Börsenparkett in Frankfurt begleitet haben. Die Commerzbank gehört dazu. Sie und zwei andere internationale Banken hätten beim Börsengang irreführende Angaben gemacht und die Anleger getäuscht, lautet der Vorwurf. Die Commerzbank will sich bislang nicht äußern, weil sie sich grundsätzlich nicht zu konkreten Kundenbeziehungen äußere. Jedenfalls war der Börsengang in Frankfurt tatsächlich ein Umzug von einer Hauptbörse zur nächsten: Von Südafrika nach Frankfurt. Vielleicht auch das ein Grund, dass Experten die tatsächlichen Verhältnisse bei Steinhoff derartig falsch eingeschätzt haben.

Frust der Aktionäre

Gegründet wurde Steinhoff bereits 1964 in Niedersachsen. Spezialisiert auf den Import von Möbeln aus dem Ostblock, strukturierte sich Steinhoff 1998 um - und ging in Johannesburg an die Börse. 2011 galt Steinhoff nach Zukäufen in Europa als größter Möbelkonzern nach Ikea. Deswegen lag der Umzug an den Börsenstandort Frankfurt quasi in der Logik der Sache. Im Dezember 2017 aber festigten sich die Zweifel am tatsächlichen Wert des Unternehmens. In Folge musste der Konzern einräumen, dass einige Zahlen mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben.

Wie genau es um das Möbelhaus steht, ist noch nicht endgültig geklärt - und die Klärung könnte noch eine Weile dauern. Heute allerdings wird sich der Aufsichtsrat und das Management viele Fragen anhören müssen auf der Aktionärsversammlung von Steinhoff am Amsterdamer Flughafen Schiphol. Hinter dem totalen Verlust der Wertpapiere steckt wohl nicht nur Frust der Aktionäre, sondern ein wie auch immer im Detail gearteter Betrug des Konzerns.