Steinmeier dringt auf Zugang zu Aleppo
12. August 2016"Der humanitäre Zugang kann nicht in Eigenregie einer Seite des Konflikts unterstehen", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Eine einseitig ausgerufene dreistündige Waffenruhe reiche nicht aus, um eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden, so Steinmeier. Die Menschen in Aleppo könnten nur rasch mit Hilfsgütern versorgt werden, wenn es gelinge, "dass die Waffen schweigen und Helfer ohne Lebensgefahr Zugang bekommen".
UN fordern 48-stündige wöchentliche Feuerpause
Am Donnerstag wurde in der belagerten syrischen Stadt trotz der von Russland angekündigten Waffenruhe unvermindert weiter gekämpft. Steinmeier sagte, er habe bei einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow deutlich gemacht, dass Russland als Unterstützer des syrischen Regimes sowohl bei der Frage der Waffenruhe als auch beim humanitären Zugang eine besonders große Verantwortung trage.
Russland, das die syrischen Regierungstruppen mit Luftangriffen unterstützt, hatte am Mittwoch angekündigt, täglich drei stunden die Waffen in Aleppo ruhen zu lassen, um die Versorgung der Bevölkerung zu erleichtern. Der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, sagte, Russland erwäge eine Ausweitung der dreistündigen Feuerpause. Die Vereinten Nationen plädieren für eine wöchentliche Kampfpause von 48 Stunden.
"Müssen entscheiden, wer lebt und wer stirbt"
Angesichts der dramatischen Lage in der umkämpften syrischen Großstadt wandten sich die dortigen Ärzte in einem eindringlichen Appell an US-Präsident Barack Obama. Sie drangen auf schnelle Hilfe für die notleidenden Bewohner. "Was uns als Ärzte am meisten schmerzt, ist, dass wir Entscheidungen darüber treffen müssen, wer weiterleben soll und wer stirbt", schrieben 15 der 35 noch praktizierenden Ärzte aus dem Ostteil Aleppos in dem Brief an Obama. "Manchmal werden kleine Kinder bei uns eingeliefert, die so schwere Verletzungen haben, dass wir jene vorziehen müssen, die bessere Überlebenschancen haben."
Ohne einen ständigen Versorgungskorridor werde der Hunger zunehmen und den Kliniken würden die Vorräte vollends ausgehen, warnten die Ärzte.
Kein fließendes Wasser mehr
Die Rebellen kontrollieren in der zweitgrößten syrischen Stadt seit dem Sommer mehrere östliche Viertel, in denen noch rund 250.000 Menschen leben. Die Regierungstruppen hatten Mitte Juli den Belagerungsring um diese Viertel geschlossen, doch gelang es islamistischen Milizen am Samstag, die Belagerung wieder zu durchbrechen. Durch die Kämpfe wurden die Strom- und Wasserleitungen beschädigt, sodass es in der ganzen Stadt seit Tagen kein fließendes Wasser mehr gibt.
rk/kle (afp, dpa)