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"Sterben zulassen, wenn es an der Zeit ist"

27. März 2005

Wieviel Selbstbestimmung steht einem Menschen am Ende seines Lebens oder in medizinisch scheinbar ausweglosen Situationen zu? Argumente von Vertretern aus Judentum, Christentum und Islam.

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Menschen beten für das Leben von Terri SchiavoBild: AP


Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD):

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Bischof Wolfgang Huber Porträtfoto
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Bischof Wolfgang HuberBild: AP

"Mit der Auferstehung Jesu aus dem Grab feierten Christen die Überwindung des Todes. Das bedeutet, dass das Leben zwar nicht unnötig verlängert werden muss, aber es bedeutet auch, dass Menschen weder am Anfang noch am Ende willkürlich über das Leben verfügen dürfen. Das Leben ist in seiner Begrenztheit ein kostbares Geschenk aus Gottes Hand. Deshalb wenden wir uns auch jetzt gegen jede Vorstellung davon, dass die aktive Sterbehilfe – also der bewusst herbeigeführte Tod – ins Kalkül gezogen wird. Der christliche Glaube an die Auferstehung von Jesus Christus hilft, die Endlichkeit unseres Lebens anzunehmen und das Sterben zuzulassen, wenn es an der Zeit ist."

Kardinal Karl Lehmann, Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz:

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Mainzer Kardinal Karl Lehmann
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl LehmannBild: AP

"Was für ein schlimmes Schauspiel ist es, wenn wir Richter verschiedener Ebenen dazu zwingen, wie Herren über Leben und Tod Entscheidungen zu treffen. Gewiss darf auch der technisch verzögerte Tod nicht den Sieg über das menschliche Sterben davontragen. Viele haben Schwierigkeiten damit, wenn Menschen langsam, vielleicht quälend langsam, sterben. Offenbar wächst die Versuchung, mit menschlichen Mitteln einzugreifen und den Zeitpunkt des Todes zu bestimmen. Aber nun ist es gewiss nicht so, dass dem Schwerkranken nur die sinnlose Quälerei und die Auslieferung an die medizinischen Apparate im Namen aller Lebenserhaltung um jeden Preis übrig bleiben. Trotz der schwierigen Verantwortung in einer solchen Situation gibt es einen feinen, entscheidenden Unterschied zwischen Sterbenlassen und Töten, das wir durch unser Verhalten fördern und ihm eventuell nachhelfen."

Zitiert nach den Predigten der Bischöfe

am Ostersonntag 2005

Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, ist Arzt und studierte parallel zu seinem Medizinstudium Islamwissenschaft.

Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland Porträtfoto
Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD)Bild: dpa

"Der Islam erlaubt in bestimmten Fällen, dass lebensverlängernde Maßnahmen eingestellt werden, und das geht auch in die Richtung, dass man nicht mit Verbissenheit an dem Leben hängt. Wenn das Leben nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, soll man mit Zufriedenheit auch in den Tod gehen. Deshalb soll also nicht mit jedem Mittel versucht werden, das Leben zu verlängern, wo wissenschaftlich und vernünftig keine Aussicht auf weitere Lebensdauer besteht."

"Der Islam verbietet jede Art von aktiver Sterbehilfe. Das Leben ist ein Geschenk Gottes, man sollte das so lange hüten und schützen und pflegen, wie es geht, und das Ende des Lebens, das bestimmt Gott allein. Es muss eine Grenze gesetzt werden und respektiert werden, und diese Grenze ist die, dass man die Tötung des Einzelnen nicht selber aktiv herbeiruft oder die Selbsttötung egalisiert."

Joel Berger ist ehemaliger Landesrabbiner von Baden-Württemberg

Der ehemalige württembergische Landesrabbiner Joel Berger Porträtfoto
Der ehemalige württembergische Landesrabbiner Joel BergerBild: dpa

"Nach jüdischen Vorstellung heißt es: Gegen deinen Willen bist du geboren, gegen deinen Willen musst du eines Tages sterben. Dies beinhaltet, dass unsere Problematik schon dort einsetzt, wenn sie bei einem sichtbar todkranken Patienten die künstliche Lebensverlängerung einleiten und damit einen Sterbenden noch weiter quälen. Damit haben wir Probleme im Sinne dieser rabbinischen Grundsätze."

Mit Nadeem Elyas und Joel Berger sprach

Bruno Ringewaldt (2.9.2004)