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Steuereintreibung à la Griechenland

Marianthi Milona (Thessaloniki)10. September 2015

Sie kommen aus dem Nichts. Manchmal verdeckt und manchmal als das, was sie wirklich sind: Steuerfahnder. Marianthi Milona war in Nordgriechenland unterwegs. Was sie traf, waren vor allem skeptische Geschäftsleute.

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Griechenland Restaurant auf Mykonos
Bild: picture-alliance/blickwinkel/P. Royer

Griechenland bleibt im Rampenlicht. Nach dem Ministerpräsident Alexis Tsipras von seinem Amt zurückgetreten ist, das griechische Parlament aufgelöst wurde und es am 20. September wieder Neuwahlen geben wird, bleibt die Frage offen, was mit den Vereinbarungen, die im dritten Memorandum ausgehandelt wurden, geschieht. So zum Beispiel die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Gastronomiebetriebe.

Wie effektiv ist diese Steuer und was unternimmt die griechische Regierung, um dieses Geld einzunehmen? Eine alte Methode wird angewandt. Griechische Steuerbeamte nehmen viele Geschäfte intensiv unter die Lupe. Die Beamten gehen von Geschäft zu Geschäft und scheuen nicht davor zurück, hohen Strafen zu verhängen. Doch wie erfolgreich ist diese Art der Steuereintreibung? Und wie gehen die Geschäftsleute damit um?

Da ist der Restaurantbesitzer Petros Loukas in einem alteingesessenen Stadtviertel von Thessaloniki. Dort betreibt er seine Taverne seit 20 Jahren, doch einer Kontrolle durch das Finanzamt konnte er bisher entgehen. Im Augenblick scheint er eine Ausnahme zu sein. Die Kontrollen durch die Steuerfahndung haben zugenommen, seit Syriza an der Macht ist.

Petros Loukas glaubt allerdings, dass dieser ganze Aufwand nicht viel bringt. "Soll ich dir was sagen: All diese Kontrollen sind doch nur damit man zeigt, dass irgendwas passiert." Es werde nur um der Kontrolle wegen kontrolliert. "Ich bin mir sicher, alle wissen im Vorfeld, wer Steuern veruntreut und wer nicht. Wenn ich im Internet lese, dass auf Mykonos ein Salat 56 Euro kostet, was wollen sie bei mir kontrollieren? Den Salat, für den ich 3 Euro berechne? Aber ich will lieber nicht weiter darüber sprechen, das bringt vielleicht Unglück."

Zweifel an der Effektivität

Griechische Steuerfahnder führen harte Kontrollen durch
Besser mit Quittung, damit es keinen Ärger mit der Steuerfahndung gibt.Bild: DW/M. Milona

Viele Geschäftsleute in Griechenland zweifeln die Effektivität solcher Maßnahmen der griechischen Steuerfahnder an. Sie kennen das bereits von früher. Der normale griechische Bürger hätte schon immer seine Steuern gezahlt, meinen sie. Dass aber der griechische Staat nie etwas davon hatte, das habe einen ganz anderen Grund, sagt Jiannis Tsironis, Cafebesitzer in einem Bergdorf der Halbinsel Halkidiki.

Ihm sei es in 40 Jahren nur einmal passiert, dass er einem Großhändler etwas zurückgab, ohne dafür einen Beleg zu erstellen. "Ich wurde kontrolliert und musste eine Geldbuße leisten. Doch wie so vielen anderen ist es mir auch passiert, dass ein Steuerbeamter mir direkt ins Gesicht sagte, dass er bestechlich sei. Gegen eine Zahlung würde er schweigen."

Solche Geschichten kann heute in Griechenland beinahe jeder Geschäftsmann erzählen. Denn sie gehörten zur gängigen Praxis der griechischen Steuerbehörde. Jiannis bekommt heute noch Gänsehaut, wenn er an das denkt, was einem alten Kollegen in den 1980er Jahren passiert war. Dieser schuldete dem Staat 80 Millionen Drachmen. Das war während der sozialdemokratischen PASOK-Regierung. Damals wurde selten kontrolliert und noch seltener wurden Steuererklärungen abgegeben. Es sei denn, man begegnete direkt einem Steuerbeamten. Jiannis erinnert sich noch an jedes Detail: "Drei Steuerbeamte betraten ohne Vorwarnung das Geschäft. Sie boten ihm an, er brauche von den 80 Millionen nur 2 Millionen Steuern zahlen, wenn jeder von ihnen dafür jeweils 2 Millionen Drachmen extra bekommen würde. Desweiteren rieten sie ihm, die Steuerunterlagen mit kochendem Wasser zu übergießen und bei einer zukünftigen Kontrolle anzugeben, sein Geschäft hätte einen Rohrbruch erlitten."

Problem war der Staat, nicht seine Bürger

Viele Geschäftsleute wie Jiannis Tsironis sind heute der festen Überzeugung, dass der griechische Staat sich selbst durch sein Personal beraubt hat. Und die Schuldigen der Krise seien noch immer nicht gefasst. Der griechische Bürger habe immer gezahlt, doch kam dieses Geld niemals in der Staatskasse an, klagt er. Deshalb gäbe es heute die leeren Kassen, die hohe Verschuldung, die Memoranden, den Gesichtsverlust der Parteien. Hört man sich in den touristischen Hochburgen oder auf den Inseln um, dort wo die Steuerhinterziehung vor allem Konjunktur hat, erkennt man, dass viele Leute bereit wären, ihre Steuern zu zahlen.

Woran es aber mangelt ist das Vertrauen in den Staat, ob er diese Steuergelder auch richtig verwaltet. So denkt auch Kostas Toliadis, ein Restaurantbesitzer in einer touristischen Hochburg an der Küste und beschreibt das Szenario. "Sie kommen manchmal als Touristen verkleidet und bestellen etwas bei dir zu essen. Sehen sie, dass du Rechnungen auf den Tisch stellst, gehen sie wieder. Wenn nicht, dann fordern sie eine Kontrolle. Ihnen geht es vor allen Dingen darum, ob die 23 Prozent Mehrwertsteuer berechnet wird." Meistens kämen sie, wenn der Laden voll sei, dann entstehe Panik "und wenn ich nicht korrekt bin, habe ich mit hohen Strafen zu rechnen."

Hohe Strafen ohne Erfolg

Die Geldbußen für Steuersünder können bis zu 1000 Euro pro falsch ausgestellter Rechnung sein. So ging es Kostas Kollegen Stelios von nebenan. Er händigte einer jungen Touristin keine Quittung über eine Kugel Eis zu 1,50 Euro aus. Im vergangenen Monat soll sich ein ganzes Beamtenteam in dem Ferienort installiert haben. Wenn man sie erkannt hat, dann verbreitet sich die Nachricht im Ort wie ein Lauffeuer. Und wenn die Beamten wieder gehen, dann versucht man wieder aufs Neue keine Quittungen mehr zu schreiben. Kostas Toliadis und seine Kollegen glauben, die Mehrwertsteuer sei zu hoch, viele würden sie zahlen, könnten es aber nicht. Er fordert einen geringeren Steuersatz, aber auch aus einem ganz anderen Grund.

"Die Frage ist, wohin fließen diese Gelder und was geschieht damit? Die Leute, die dieses Geld früher zu verwalten hatten, haben es veruntreut. Das hat uns in die Krise manövriert. Wie bei einem Kalmar, der Tinte ausspuckt, damit er nicht gesehen wird, so vernebelten uns manche Beamten die Augen mit Bestechungsgeldern, denn sie fühlten sich vom Staat beschützt. Und die Staatseinnahmen landeten in ihre Taschen." Die Bürger hätten immer gezahlt, mal mehr, mal weniger. Doch das Geld sei nie in der Staatskasse angekommen. "Und selbst wenn es ankam, hier ist nicht Deutschland. Niemand erklärt mir, was gibt mir der Staat zurück? Und wo hilft er im sozialen Bereich? Oder bei der medizinischen Versorgung?"

Es wäre schön, wenn seine Behauptung stimmen würde, aber der fleißige Geschäftsmann weiß nicht, dass in Deutschland viele Leistungen im sozialen Bereich auch längst nicht mehr von Staat getragen werden, so wie das früher noch der Fall gewesen war.