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Politik

Steueroasen zwischen Gesetz und Moral

Arthur Sullivan jdw
6. November 2017

Die Veröffentlichung der so getauften "Paradise Papers" offenbart, was Politiker und andere Prominente tun, um Steuern zu sparen. Doch die meisten Bedenken dagegen sind eher moralischer als legaler Art.

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Bild: Imago/STPP

Zuerst Panama, jetzt also Paradise. Es ist ein tiefer Einblick in die exotische, zwielichtige Welt der Steueroasen, wo Firmen in Rufweite von Martinis, Marinas und Luxusyachten einigen der reichsten und mächtigsten Kunden der Welt dienen. Die enormen Enthüllungen der "Paradise Papers" legen die Methoden offen, mit denen mächtige Privatpersonen und Unternehmen Steuerzahlungen umgehen - ähnlich wie die "Panama Papers" im April 2016. Und ebenso wie diese werden die Paradise Papers in den nächsten Wochen und Monaten erheblichen Raum in den Medien einnehmen. Sie werfen ein peinliches und erhellendes Licht auf Menschen und Unternehmen, die gewohnt sind, ihre unangenehmen Geheimnisse verborgen zu halten.

Aber so verstörend es auch sein mag - was von alledem ist eigentlich illegal? Oder ist das alles eher eine Frage der Moral?

Sind die Gesetze wirkungslos?

Die Informationen aus den Panama Papers hätten aus Sicht derer, über die sie etwas preisgeben, niemals gelüftet werden dürfen. Ihre Offenlegung hat riesige Kreise gezogen und zieht sie noch. Und doch merkte der damalige US-Präsident Barack Obama bitter an: "Es gibt keinen Zweifel, dass das Problem globaler Steuervermeidung ein riesiges Problem ist. Das Problem ist, dass sehr viel davon legal ist, nicht illegal."

Paradise Papers | Steueroasen: Der Yachthafen von Valetta, Malta
Steueroase und EU-Mitglied: Der Yachthafen von Valetta auf der Insel MaltaBild: picture-alliance/Jürgen Effner

Genau das ist der Knackpunkt: Vieles von dem, was aufgedeckt wurde und noch aufgedeckt wird, ist in den Augen vieler geschmacklos und unerfreulich, vielleicht sogar unmoralisch und unethisch. Aber illegal ist das meiste nicht.

So wurde bekannt, dass rund 10 Millionen Britische Pfund (11,3 Mio. Euro) aus dem Vermögen von Königin Elisabeth II in Unternehmen in den Cayman Inseln und Bermuda investiert wurden. Zweifel an der Legalität gibt es bisher nicht. Auch dass Stephen Bronfman, ein enger Vertrauter des kanadischen Premiers Justin Trudeau, geholfen hat, Millionen von Dollar auf ausländische Konten zu verschieben, ist mehr als alles andere eine Frage der Ethik.

Reichtum auf verschlungenen Pfaden

Schon in der Schule lernt man, dass Steuervermeidung legal ist; illegal ist nur Steuerhinterziehung. Und das ist der Unterschied, den Unternehmen wie Appleby und Mossack Fonseca - die zentralen Unternehmen der Paradise beziehungsweise Panama Papers - ganz genau kennen. Die Paradise Papers zeigen nicht nur, wer Steuern vermeidet. Sie zeigen auch die unzähligen und immer komplexeren Wege, auf denen die Steuervermeider ihre Vermögen vor dem heimischen Fiskus verstecken.

USA Paradise Papers | Büros des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ)
Das Büro des "Internationalen Netzwerks investigativer Journalisten" in Washington D.C.Bild: picture-alliance/dpa/J. Lo Scalzo

Manche dieser "Investmentmethoden" zielen darauf ab, Privatpersonen davor zu bewahren, ihre Privatjets oder Superyachten versteuern zu müssen. In anderen geht es darum, die Strukturen eines Unternehmens so zu gestalten, dass die richtige Menge Geld zur richtigen Zeit im richtigen Fonds liegt.

Die falsche Klientel

Aber wie lang kann noch legal bleiben, was da so vor sich geht? Die Stürme, die die Panama Papers ausgelöst haben und die Paradise Papers im Begriff sind auszulösen, setzen Politiker unter Druck, sich dieses immer problematischeren Gebietes anzunehmen. Aber es bleibt abzuwarten, ob sich wirklich Nennenswertes tut.

Denn es gibt unzählige legale und moralische Bedenken, jenseits aller fiskalischen Argumente, die sich aus der zwielichtigen Kultur ergeben, die vielen Steuervermeidungsstrategien und -strukturen innewohnt. Das "Internationale Netzwerk investigativer Journalisten" drückt es in seinem Bericht über die Paradise Papers so aus: "Während es oft legal ist, eine Niederlassung in einer Steueroase zu haben, zieht die eingebaute Geheimhaltung Geldwäscher, Drogendealer, Kleptokraten und andere an, die im Verborgenen agieren wollen. Offshore-Gesellschaften, oft Hüllen ohne Angestellte oder Büroräume, werden auch in komplexen Steuerhinterziehungsstrukturen genutzt, die nationale Finanzbehörden Milliardeneinnahmen kosten."

Wer Wasser predigt und Wein trinkt

Hinzu kommen die bereits erwähnten ethischen und moralischen Probleme, die entstehen, wenn der Blick auf mächtige Personen fällt - insbesondere Politiker oder Menschen mit politischem Einfluss -, wie sie teils obszöne Mengen Reichtum außer Reichweite des eigenen Finanzamtes bringen, während sie andere dazu anhalten, im nationalen Interesse zu handeln.

Paradise Papers belasten US-Handelsminister

Die Panama Papers haben mehr als 300 Wirtschaftsexperten dazu veranlasst, einen Brief an die Staats- und Regierungschefs der Welt zu schreiben, in dem sie eine Änderung des globalen Steuersystems anmahnen: "Die Existenz von Steueroasen trägt nicht zur Steigerung des globalen Wohlstands oder Wohlbefindens bei. Sie erfüllen keinen ökonomischen Zweck", schrieben sie.

Ein weiterer Aspekt ist die unangenehme Nähe von Offshore-Firmen zu einigen weniger appetitlichen Regimes. Einer von Applebys Kunden etwa war Glencore, eine Firma mit Bergbaurechten in der hoch korrupten Demokratischen Republik Kongo.

Wandel in Sicht?

Die Panama Papers haben weltweit Stirnrunzeln und besorgtes Händeringen unter Politikern von Barack Obama bis zu David Cameron ausgelöst. Die Etwas-muss-geschehen-Rhetorik wird weitergehen. Nur: Steueroasen sind ein akzeptierter Teil des Lebens; ihr anhaltendes Fortbestehen ist dafür Beweis genug.

Die Paradise Papers, genau wie die Panama Papers zuvor, dürften einigen reichen und mächtigen Menschen in den nächsten Wochen und Monaten erhebliches Unbehagen bescheren. Ob die Konsequenzen darüber hinausgehen, bleibt abzuwarten.