Stichwort: Terrorwarnung
17. November 2010Das System einer abgestuften Skala von aktuellen Gefährdungslagen für bevorstehende Terroranschläge wurde vom Heimatschutzministerium der USA im Anschluss an die Terroranschläge vom 11. September 2001 entwickelt. Die jeweilige Anhebung der Gefahr auf "erhöht" oder - im schlimmsten Falle - auf "sehr hoch" geht in der Regel auf konkrete Hinweise eigener oder befreundeter Geheimdienste beziehungsweise anderer Sicherheitsbehörden zurück. Dabei kann es sich um abgehörte Gespräche, entsprechende Informationen im Netz oder glaubwürdige Hinweise von Informanten in der Dschihadisten-Szene handeln. In den seltensten Fällen gibt es aber eine konkrete Spur.
Islamisten unter Beobachtung
Mitarbeiter deutscher Geheimdienste hatten unlängst in Afghanistan eine Woche lang Islamisten über Terrorszenarien in Deutschland und Europa befragt. Nach Angaben der Sicherheitsbehörden halten sich derzeit etwa vierzig Islamisten aus Deutschland in Pakistan und Afghanistan auf. Zugleich setzten etwa 200 Spezialisten des Bundeskriminalamts und des Verfassungsschutzes ihre Bemühungen fort, die jüngsten Terrorwarnungen aus den USA auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurde auch die Überwachung von etwa 130 in Deutschland lebenden "Gefährdern" verstärkt.
In der Regel verdichten sich mehrere Hinweise zu einer qualitativ neuen Gefährdungslage, die eine konkrete Terrorwarnung nach sich ziehen kann. Wenn diese offiziell ausgesprochen wird, in Deutschland sind hierfür der Bundesinnenminister und seine Kollegen in den Bundesländern verantwortlich, führt dies in der Regel zu verstärkten Kontrollen an neuralgischen Punkten der Sicherheitsarchitektur eines Landes. Die Palette der möglichen Maßnahmen reicht von der Anordnung verstärkter Personen- und Gepäckkontrollen an Flughäfen über die Überwachung von Bahnhöfen und Verkehrsknotenpunkten bis hin zur vorübergehenden Schließung von Botschaften an besonders gefährdeten Standorten.
Regierung will sich absichern
In den USA wurde die fünfstufige Terrorwarnskala von der Regierung auch deshalb eingerichtet , um sich künftig gegen Vorwürfe abzusichern , die Sicherheitsbehörden hätten entsprechende Hinweise auf die bevorstehenden Anschläge vor dem 11. September 2001 nicht ernst genug genommen und die Öffentlichkeit nicht informiert. Ähnliches dürfte nun auch Innenminister Thomas de Maizière im Sinn gehabt haben. Denn nach dem Fund einer an die USA adressierten, in Deutschland umgeladenen und in Großbritannien entdeckten Paketbombe am 29. Oktober war bekannt geworden, dass die Lufthansa das Bundesinnenministerium offenbar schon vor Monaten vor der Terrorgefahr im Jemen gewarnt hatte. Die Warnung der Fluglinie soll schon Anfang Oktober, drei Wochen vor den Paketbombenfunden in Europa, bei De Maizière eingegangen sein. In jüngster Zeit hatten deutsche Medien immer wieder über angeblich bevorstehende Terroranschläge in den USA und Europa berichtet.
Deutschland folgt Großbritannien und Frankreich
Darüber hinaus hatte es immer wieder Warnungen westlicher Geheimdienste gegeben, denen zufolge Terroristen noch vor Weihnachten einen Anschlag planen könnten. Allerdings hat das El-Kaida-Netzwerk in der Vergangenheit solche Warnungen gerne auch öffentlich verbreitet, um damit Propaganda zu machen. Auch die Regierungen anderer Staaten reagierten inzwischen mit offiziellen Terrorwarnungen auf eine vermeintlich veränderte Sicherheitslage. Nach Großbritannien und Frankreich ist Deutschland der dritte EU-Staat, der jetzt eine entsprechende Warnung an seine Bevölkerung herausgegeben hat.
Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Dеnnis Stutе