Stigmatisierung erhöht AIDS-Risiko
25. Juli 2019Transsexuell und HIV-positiv? Diese Menschen haben es in Lateinamerika besonders schwer. "In diesen Ländern werden Transsexuelle noch immer stark stigmatisiert. Vier von fünf Transsexuellen, die weltweit umgebracht werden, werden in Lateinamerika getötet", sagt Jürgen Rockstroh, Präsident der Deutschen AIDS-Gesellschaft. Verantwortlich dafür seien oft auch die jeweiligen Regierungen, die zur Diskriminierung von Transsexuellen beitrügen. Hinzu kommen Homophobie und Ignoranz gegenüber dieser Gruppe.
Häufig gibt es offene Gewalt gegen Transsexuelle. In der Folge haben sie Angst, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen. Sie befürchten, abgestempelt zu werden und nicht selten attackiert. Das wiederum führt dazu, dass sich Transsexuelle nur selten auf HIV testen lassen. Entsprechend erhalten sie keine Medikamente und können das Virus weitergeben.
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Erfolgreiches Modell
Es gibt aber auch durchaus positive Meldungen von der Welt-AIDS-Konferenz. In Thailand etwa sind Transsexuelle sehr gut in die Gesellschaft und in viele Projekte integriert. Es gibt eine Art Netzwerk, in dem Transsexuelle versuchen, andere Betroffene für die Probleme mit HIV zu sensibilisieren. Sie bestärken sie darin, sich auf HIV testen zu lassen und von PrEPs (Präexpositionsprophylaxe) Gebrauch zu machen. Bei der PrEP nehmen gesunde, nicht mit dem HI-Virus infizierte Menschen ein Medikament ein, das die Vermehrung von HIV im Körper verhindert. Das ist laut der Deutschen AIDS-Hilfe genauso zuverlässig wie Kondome.
Mit jedem Betroffenen, der für HIV-Tests, für Diagnose und Therapie wirbt, steigt auch die Chance, weitere Transsexuelle zu motivieren und für derartige Programme zu gewinnen. Die Frage ist allerdings, wie sich solch erfolgreiche Modelle auf Länder übertragen lassen, in denen die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen viel schwieriger sind - oder noch schlimmer: gar nicht vorhanden.
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Der Kampf um "90 – 90 – 90"
Viele Länder kämpfen noch immer damit, die sogenannten 90-90-90-Ziele zu erreichen. 90 Prozent aller Menschen sollten ihre Diagnose kennen. Davon sollten sich 90 Prozent in Therapie befinden und davon wiederum bei 90 Prozent die Viruslast erfolgreich unterdrückt sein. Das ganze solle bis 2020 erfolgt sein, so die Organisation UNAIDS. Es bleibe also nur noch ein halbes Jahr um diese Ziele zu erreichen, gibt Rockstroh zu bedenken. "In vielen Ländern ist man noch weit entfernt davon. Das liegt unter anderem daran, dass sich nicht alle testen lassen oder dass diejenigen, die ein erhöhtes Risiko haben, nicht bekannt sind." Und über allem schwebt in vielen Ländern noch immer das Stigma von HIV/AIDS.
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Es gibt antivirale Medikamente und damit die Möglichkeit, HIV-Infektionen zu verhindern. Die Voraussetzung aber ist, dass möglichst viele Menschen getestet und dass Medikamente zugänglich gemacht werden.
"Natürlich gibt es den Wunsch nach Heilung", sagt Rockstroh. Aber schon die Entwicklung antiretroviraler Medikamente haben die Medizin und die Behandlung von HIV einen großen Schritt weitergebracht.
"Wenn die Menschen eine Therapie bekommen, ist für sie eine normale Lebenserwartung möglich", sagt Rockstroh. Und noch etwas sieht er positiv: "Es gibt sehr viele junge Leute, die ihre Themen [hier auf der Welt-AIDS-Konferenz] mit großem Enthusiasmus vorstellen. Das macht Mut und Hoffnung. Ich glaube, dass die jungen Leute die Kraft und die Energie haben, auch Dinge, die sehr verkrustet sind, aufzubrechen und dann auch zum Besseren zu verändern."
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