Kino und Fernsehen: Dominik Graf
15. April 2010Er ist der Rekordinhaber: Achtmal hat der Münchener Regisseur und Autor Dominik Graf bereits den Adolf Grimme Preis gewonnen, den renommiertesten TV-Preis hierzulande. Meist für Krimis oder Filme, die in einem verbrecherischem Milieu in der Großstadt spielen. Doch der 57jährige Filmemacher dreht nicht nur Fernsehfilme, sondern inszeniert gelegentlich auch für die große Leinwand.
Inspirieren ließ sich Dominik Graf ursprünglich von den Außenseitern der Filmbranche, über die er gerade auch ein Buch geschrieben hat ("Schläft ein Lied in allen Dingen", Alexander Verlag), Regisseure wie Arthur Penn, Claude Sautet oder Nick Roeg: "Sie waren in der Lage, mir zu vermitteln: 'Ich weiß mehr übers Leben als Du!' Ich glaube, das war der entscheidende Punkt, dass ich mich irgendwann fürs Kino interessiert habe und auf die Filmhochschule gegangen bin, weil ich das Gefühl hatte: Aus dem Kino lernt man ja viel mehr übers Leben als aus dem Leben selbst!"
Preis fürs Filmdebüt
Der Sohn eines Schauspieler-Ehepaares wird 1952 in München geboren und beginnt 1972 ein Studium der Germanistik und Musikwissenschaft, wechselt aber zwei Jahre später an die Hochschule für Film und Fernsehen in München. Bereits für seinen Abschlussfilm "Der kostbare Gast" erhält er 1980 den Bayerischen Filmpreis. Anschließend arbeitet Dominik Graf viel fürs Fernsehen, wo er sich schnell als Spezialist für Krimis etabliert und Filme für "Tatort", "Der Fahnder" oder "Polizeiruf 110" dreht - was er bis heute auch noch macht.
1987 inszeniert er mit "Die Katze" seinen bislang erfolgreichsten Kinofilm. Das Werk mit Götz George, Gudrun Landgrebe und Heinz Hoenig in den Hauptrollen handelt von zwei Männern, die eine Bank überfallen und ein Lösegeld in Millionenhöhe erpressen wollen. Gegenüber in einem Hotel beobachtet ein Dritter die Aktionen der Polizei und gibt seinen Partnern Instruktionen. Der Plan scheint perfekt. Doch Verrat und die Vergangenheit der Protagonisten bringen alles ins Wanken. Für den Film erhält Dominik Graf den Bundesfilmpreis für die 'Beste Regie'. Rund 1,3 Millionen Besucher strömen ins Kino.
Fataler Kinoflop mit "Die Sieger"
In Hollywood wäre Dominik Graf damit wohl der Sprung zu einer großen Karriere als Regisseur für Actionfilme gelungen. Doch dieses Genre wird in Deutschland kaum gepflegt. Und als es Graf 1993 dann doch versucht und mit "Die Sieger" einen Film über eine Polizei-Elitetruppe dreht, floppt das Werk.
Schnelle Schnitte, oft bruchstückhafte Bildfolgen und Dialogfetzen und dann plötzlich eine lange Zeitlupeneinstellung, das sind Dominik Grafs Markenzeichen. Dieser Inszenierungsstil irritiert und fasziniert zugleich. Besonders authentisch wirken Grafs Krimis, die in der Halbwelt spielen und/oder im Prostituierten-Milieu. Gelungene Beispiele hierfür waren die Filme "Er sollte tot" (Adolf Grimme Preis 2006) und "Hotte im Paradies", eine präzise Milieustudie, die den Aufstieg und Fall eines kleinen Zuhälters in Berlin beschreibt.
Umstrittene Kinofilme
Weniger erfolgreich ist Dominik Graf mit seinen Alltagsgeschichten, Melodramen oder Komödien, an denen er sich immer wieder mal probiert. Auch sein Kinodrama "Der Felsen", die Geschichte einer Frau, die verlassen wird und eine Odyssee auf Korsika erlebt, kann nicht überzeugen, obgleich der Film 2002 im Berlinale-Wettbewerb läuft.
Der Filmemacher selbst beschreibt sich gern als "Halb-Linker", als einer der emotional links steht, ohne jedoch politisch besonders aktiv zu werden. So erzählt Dominik Graf zum Beispiel in dem Krimi "Eine Stadt wird erpresst" vom Niedergang der ostdeutschen Provinz - auch das eine Studie der Gesellschaft, verpackt als Genrefilm. Und genervt von den vielen Stasi-Dramen, die seit dem Mauerfall produziert wurden, dreht er 2006 "Der rote Kakadu", seinen bisher letzten Kinospielfilm, die Geschichte eines Dresdner Tanzlokals, das bis 1961 ein Eldorado der Freiheit war.
Ein anderes Bild der DDR
"Ich hatte das Gefühl, dass die DDR 1961 vor dem Mauerbau noch voller Lebensfreude war, dass das Land die Chance hatte, eine andere Gesellschaft zu werden", so beschreibt Dominik Graf seine Motivation für den Film. "Und ich denke, dass es wichtig ist, dass die Menschen die ursprüngliche Idee der DDR, eines besseren Deutschlands, auch noch mal zur Kenntnis nehmen."
Im letzten Jahr war Dominik Graf mit einer Episode am Film "Deutschland 09" beteiligt, einer Bestandsaufnahme zur Lage der Nation von dreizehn bekannten deutschen Filmemachern. Graf wählt für seinen Beitrag ("Der Weg, den wir nicht zusammen gehen") eine Mischung aus Dokumentar- und Essayfilm, der anhand von vielen Architekturbeispielen das Verschwinden und Verdrängen von Vergangenheit thematisiert.
Im Angesicht des Verbrechens
Ende April kommt nun Dominik Grafs neustes und bisher größtes Werk ins Fernsehen (zunächst beim Sender ARTE, im Herbst dann in der ARD): die zehnteilige TV-Thriller-Serie "Im Angesicht des Verbrechens". Das Mammut-Werk lief im Februar zum ersten Mal auf der Berlinale - im Kino! Es schildert wie in Berlin unterschiedliche Ethnien versuchen mit ihren alten, hergebrachten Regeln und Gesetzen in der Metropole zu überleben. Mittendrin agiert der Bereitschaftspolizist Marek Gorsky (Max Riemelt). Der rutscht ungewollt in den Machtkampf zwischen einer halbkriminellen Gruppierung um einen russischen Geschäftsmann und einer Bande, die sogar den Ehrenkodex der organisierten Kriminalität ignoriert. Mit dieser packend und stilsicher inszenierten Fernsehserie, die auch auf großer Leinwand gut aussieht, hat Dominik Graf einmal mehr den Beweis angetreten, dass er zu den herausragenden Regisseuren hierzulande zählt.
Autor: Bernd Sobolla
Redaktion: Jochen Kürten