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"Menschenrechte gelten auch in Afrika"

Thomas Mösch22. April 2014

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, will in Afrika kontroverse Themen wie die Rechte Homosexueller ansprechen. Von Europa fordert er im DW-Interview eine klare Krisenpolitik für Afrika.

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Christoph Strässer, SPD, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung (Foto: SPD-Fraktion)
Bild: spdfraktion.de/Susie Knoll/Florian Jänicke

DW: Herr Strässer, Sie sind gerade aus Ruanda zurückgekommen, wo derzeit des Völkermordes vor 20 Jahren gedacht wird. Wie bewerten Sie heute die Rolle Europas und auch Deutschlands damals, während des Genozids?

Christoph Strässer: Es wird immer deutlicher - je mehr Quellen zur Verfügung stehen - dass es eine enorme Verantwortung Europas gibt. Da ist natürlich Frankreich an erster Stelle zu nennen. Es gibt ja auch große Vorwürfe seitens der jetzigen ruandischen Regierung, Frankreich habe beispielsweise die damaligen Hutu-Milizen unterstützt. Wir Europäer kannten nicht die ganze Dimension, aber dass sich dort ein Völkermord andeutete, hätte man wissen müssen, wenn man sich ordentlich darum gekümmert hätte.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie denn für Ihre eigene Arbeit aus dem politischen Versagen von damals?

Ein aktuelles Beispiel ist die Zentralafrikanische Republik. Dort hat der UN-Nothilfekoordinator, John Ging, ja schon im Februar vor einem Genozid gewarnt. Wenn man Entwicklungen ähnlich wie in Ruanda sieht, muss man unabhängig von allen politischen Positionierungen dafür sorgen, dass es nicht zum Völkermord kommt. Das heißt, dass wir humanitäre Hilfe für die Menschen brauchen, aber wir brauchen eben auch sichere Räume, um den Menschen diese Hilfe zu bringen. Wenn die beteiligten Gruppen dazu nicht bereit sind und wir sie nicht mit friedlichen Mitteln dazu bekommen, die Waffen niederzulegen, dann muss aus meiner Sicht mit einer robusten militärischen Intervention verhindert werden, dass die Menschen nicht wieder - wie 1994 - zuhauf ermordet, man kann ja sagen abgeschlachtet, werden.

Die EU scheint sich damit schwer zu tun. Die Bereitstellung der zugesagten Truppen für Zentralafrika zieht sich schon lange hin. Haben Sie den Eindruck, dass die Europäer heute in diesem Konflikt ihrer Verantwortung gerecht werden?

Ich bin auch etwas frustriert über den Gang der Verhandlungen. Natürlich ist es für die EU schwierig, wenn ein Mitgliedsstaat vorprescht und dann die Solidarität der anderen einfordert (Anmerkung der Redaktion: Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hat Ende 2013 einen Militäreinsatz in der Zentralafrikanischen Republik begonnen). Ich finde, das ist keine gute Strategie. Ich wünsche mir, dass die EU ihre Rolle bei solchen Friedensmissionen klarer definiert, deutlicher zu ihrer Verantwortung steht und auch vor Ort interveniert. Und das nicht in erster Linie mit militärischen Mitteln, sondern vorrangig präventiv.

Sie beschäftigen sich schon lange politisch mit Afrika, jetzt als Menschenrechtsbeauftragter. Was sind dabei Ihre Schwerpunkte?

Im Moment ist man ja wieder mal dabei, Afrika-Strategien zu entwickeln. Ich glaube, dass man wegkommen muss von dem Bild Afrikas als Kontinent, der jetzt entwickelt werden muss. Wir brauchen weiterhin Entwicklungszusammenarbeit, aber wir sehen auch, dass es in vielen Staaten Afrikas vorangeht. Das Wirtschaftswachstum liegt deutlich über dem in Europa. Das heißt, man muss Formen der Gleichberechtigung entwickeln. Wir müssen auch bei Handelsbeziehungen darauf achten, dass europäische Unternehmen - von denen ich hoffe, dass sie sich in Zukunft intensiver in Afrika engagieren - menschenrechtliche Standards einhalten. Das gilt insbesondere für die Rohstoffindustrie, für die so genannten Konfliktmineralien. Da ist es meine Aufgabe als Menschenrechtsbeauftragter, darauf zu achten, dass den Menschen vor Ort erstens menschenwürdige Arbeitsbedingungen angeboten werden und dass sie zweitens von dem, was sie produzieren, leben können.

Armenviertel Cazenga in Luanda, Angola (Foto: R. Krieger/DW)
Vom Rohstoffreichtum haben viele Afrikaner, wie hier in Angola, bislang nicht profitiertBild: DW/Renate Krieger

Sie reisen jetzt unter anderem nach Uganda, das gerade wegen eines neuen Anti-Homosexuellen-Gesetzes nicht nur hier in Europa heftig in der Kritik steht. Auch in anderen afrikanischen Ländern kommen immer wieder kontroverse Menschenrechtsthemen auf den Tisch. Wie gehen Sie mit dem häufig geäußerten Vorwurf um, die Europäer wollten den Afrikanern fremde Werte aufdrücken?

Ich finde, diese Relativierung auf der Grundlage von Traditionen und Kulturen problematisch. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gilt auch in afrikanischen Ländern und auch für Menschen, die in alternativen Lebensformen leben wollen. Das werde ich auch in Uganda ansprechen. Wir unterstützen zum Beispiel eine Verfassungsklage gegen das Anti-Homosexuellen-Gesetz in Uganda. Man muss aber einen Spagat machen, um nicht den Betroffenen zu schaden, die sich für LGBTI-Rechte (Anmerkung der Redaktion: Rechte von Lesben, Schwulen, Trans- und Intersexuellen) engagieren. Ich habe in Gesprächen mit Aktivisten aus Uganda erfahren, dass sie die Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit für falsch halten. Sie fürchten, noch mehr zu Sündenböcken zu werden, weil ihretwegen - so ist dann die Darstellung - die Entwicklungszusammenarbeit gekündigt wird.

Eine Anmerkung ist mir noch sehr wichtig: Gerade der afrikanische Kontinent war es, der eine ganz positive Rolle gespielt hat bei der Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs. Das Thema Straflosigkeit wurde dort intensiv diskutiert. Deshalb glaube ich schon, dass es zumindest mittelfristig Möglichkeiten gibt, wieder einen Konsens bei Menschenrechtsthemen zu finden. Wie gesagt, eine Relativierung der Menschenrechte vor kulturellen und traditionellen Hintergründen hielte ich für absolut schädlich.

Wie unterstützen Sie die Verfassungsklage in Uganda konkret?

Also zum einen ist es wichtig, dass man aus dem befreundeten Ausland - gerade Deutschland hat ja traditionell gute Beziehungen zu Uganda - deutlich macht, dass man diesen Weg, den das Parlament mit dem Anti-Homosexuellen-Gesetz eingeschlagen hat, nicht mitträgt. Wir sagen unseren Kollegen aus dem ugandischen Parlament beispielsweise, dass wir aus Deutschland, aus Europa, alles daran setzen werden, um dieses Gesetz rückgängig zu machen. Und dazu gehört, wenn gewünscht, auch eine organisatorische Unterstützung der Klage.

Christoph Strässer ist SPD-Bundestagsabgeordneter und seit Anfang 2014 Beauftragter für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe der deutschen Bundesregierung. Zuvor war Christoph Strässer Sprecher der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Bundestagsfraktion, und leitete unter anderem den Gesprächskreis Afrika.

Das Interview führte Thomas Mösch.