1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Streit um Elbvertiefung: Jobs oder Natur?

Mariel Müller
16. Dezember 2016

Der lange Streit um die Vertiefung der Elbe geht in die nächste Runde: Befürworter wollen Jobs schaffen - Gegner die Umwelt schützen. Von Montag an wird vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wieder verhandelt.

https://p.dw.com/p/2UNgZ
Deutschland Containerschiff CSCL
Bild: picture-alliance/AP Photo/D. Bockwoldt

Es ist ein "Ur-Streit": Wirtschaftliches Wachstum versus Umweltschutz. Ein Beispiel, das seit Jahrzehnten dafür steht wie kaum ein anderes: Die Hamburger Elbvertiefung. Vom 19. bis 21. Dezember wird in Leipzig vor dem Bundesverwaltungsgericht über die mittlerweile neunte Elbvertiefung verhandelt. Die Umweltverbände BUND und Nabu, unterstützt vom WWF, klagen gegen das Projekt. Beklagt sind die Planungsbehörden des Bundes und der Stadt Hamburg.

Worum geht es?

Infografik Geplante Elbvertiefung DEU
Von Hamburg bis Cuxhaven: 130 Kilometer sollen auf 15,60 Meter Tiefe gebracht werden

Die Elbe zählt zu den wichtigsten Wasserstraßen Deutschlands. Für die weltweite Schifffahrt ist vor allem das rund 130 Kilometer lange Stück zwischen der Nordsee und Hamburg bedeutsam.

Der Hamburger Hafen ist damit der bedeutendste Container-Umschlagplatz für die Staaten des Ostsee-Raums und gehört zu den Top Ten der wichtigsten Häfen der Welt. Mehr als 150.000 Arbeitsplätze gelten als abhängig vom Hafen. 

Damit die im Laufe der vergangenen 200 Jahre ständig größer gewordenen Frachtschiffe Hamburg gefahrlos anlaufen konnten, wurde die Fahrrinne der Elbe seit 1818 acht Mal vertieft: Von einst 3,5 Metern Tiefe auf heute 14,9 Meter. Die jetzt geplante Vertiefung soll den Hafen für die neue Generation der Mega-Containerschiffe besser erreichbar machen - unabhängig von Ebbe und Flut.  Die "Marco Polo" beispielsweise, mit einem maximalen Tiefgang von 16 Metern und Platz für rund 16.000 Container, kann den Hafen zwar schon heute anfahren - aber nicht voll beladen und nur in einem kleinen Zeitfenster.

Das wollen die Planer des sogenannten "Fahrrinnenausbaus" ändern. Unabhängig von den Gezeiten, sollen nach den Baggerarbeiten Schiffe mit einem Tiefgang von 13,50 Metern die Elbe jederzeit befahren können. Bislang liegt der maximale Tiefgang für eine tideunabhängige Fahrt von Hamburg nach Cuxhaven bei 12,50 Metern.

China Containerschiff CMA CGM Marco Polo in Hong Kong
16.000 Container haben auf der "Marco Polo" PlatzBild: picture-alliance/dpa/A. Hofford

Die Befürworter des Großbauprojekts halten die Vertiefung für unbedingt notwendig, um Hamburg als attraktiven Wirtschaftsstandort zu erhalten und weiterzuentwickeln. 40.000 zusätzliche Arbeitsplätze sollen Hafenausbau und Elbvertiefung nach Meinung von Experten bringen. Bis 2025 will Hamburg - den Fahrrinnenausbau vorausgesetzt - den Containerumschlag von den jetzigen 8,8 auf 25 Millionen erhöhen. Falls ihr Plan abgelehnt wird, sieht die Stadt Hamburg große Nachteile: Riesenfrachter würden zunehmend auf die größeren Häfen Antwerpen und Rotterdam ausweichen, die deutlich mehr Tiefgang haben. Umsatz und Gewinne der vom Hafen abhängigen Unternehmen würden sinken oder zumindest nicht wie sonst steigen, das wiederum hätte Auswirkungen auf die Steuereinnahmen und die Zahl der Arbeitsplätze.

Ziel der Planer ist es dabei, die Auswirkungen auf die Flusslandschaft möglichst gering zu halten. Zum Beispiel soll der Tidehub - der Abstand zwischen dem Pegelstand bei Niedrig- und bei Hochwasser - nicht noch größer werden, als er ohnehin schon ist. Verstärkt durch die vorigen Elbvertiefungen sorgt dieser nämlich neben dem Wellenschlag der Schiffe zusätzlich für eine steigende Erosion an den Elbufern.

Infografik Geschichte der Elbvertiefung DEU

Vor 150 Jahren wurde der Tidenhub am Hamburger Hafen noch bei 1,50 Metern gemessen, mittlerweile liegt er bei 3,60 Metern. "Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen den Vertiefungen und dem Anstieg des Tidenhubs und wie stark der zunimmt", so der Leiter der Umweltpolitik Malte Siegert vom Naturschutzbund Deutschland.

Es gibt viele Gründe, die aus Sicht der Umweltschützer gegen das Großprojekt sprechen. Das größte Problem sieht Umweltexperte Siegert in der zunehmenden Sedimentierung der Elbe. Dadurch, dass der Fluss immer tiefer wurde, fließt bei Flut immer mehr Meerwasser in höherer Geschwindigkeit von der Nordsee in Richtung Hamburg. Sedimente werden mitgetragen und lagern sich am Grund des Flusses ab. Diese baggert die Hamburg Port Authority mit Hilfe von Steuergeldern wieder raus: 2015 lagen die Kosten für diese Unterhaltungsbaggerungen bei 120 Millionen Euro. Je tiefer die Elbe ausgebaggert wird, desto mehr Wasser strömt bei Flut vom Meer ins Landesinnere. Eine nie endende Sisyphusaufgabe.

Deutschland Schwimmbagger im Hamburger Hafen
Regelmäßig müssen Schwimmbagger die Sedimente vom Flussgrund herausbaggern, um die Vertiefung aufrechtzuerhaltenBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Auch das Ökosystem wird belastet: Zugvögel fangen sich ihr Futter aus den Flachwasserbereichen an den Elbufern. Das werde ihnen aber zunehmend erschwert, so Siegert: "Auf der einen Seite erodieren die Uferzonen und auf der anderen Seite wird der Sand da noch drauf geschmissen, dann gibt es an den Elbseiten nur noch sandige Bereiche, mit denen die Vögel nichts mehr anfangen können."

Ausweichen auf den Jade-Weser-Port

Dabei könnten die großen Frachter auch den erst 2012 in Betrieb genommenen Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port anfahren. Nachdem im Jahr 2000 der Bund gemeinsam mit den Ländern Niedersachsen, Bremen und Hamburg den Bau beschlossen hatte, verließ Hamburg zwei Jahre später wieder die Kooperation und meldete die nächste Elbvertiefung an. Die Folge wäre eine teure Doppelinfrastruktur, meint Umweltexperte Siegert: Der 1,5 Milliarden Euro-Bau des Jade-Weser-Ports auf der einen Seite und die rund 900 Millionen Euro für die Elbvertiefung auf der anderen. "Das ist der Grund für unseren Widerstand: Ihr habt euch für den ersten Hafen entschieden, nun koordiniert euch bitte so, dass die großen Schiffe nach Wilhelmshaven fahren oder eben nach Hamburg, unter gewissen Restriktionen."