Streit um Grenzkontrollen in Deutschland geht weiter
14. Juli 2024Dass Fußball-Sommermärchen in Deutschland sollte ungestört verlaufen. Während der Europameisterschaft in deutschen Stadien wurde deshalb verschärft an den Außengrenzen der Bundesrepublik kontrolliert. Ziel war es, unerlaubte Einreisen zu verhindern. In der Tat konnten die Grenzschützer dabei verdächtige Personen stoppen, die sonst ungehindert ins Land gekommen wären.
Sollten die Grenzkontrollen deshalb vielleicht fortgesetzt werden, obwohl das im sogenannten Schengenraum in der Europäischen Union nur ausnahmsweise gestattet ist? Darüber gibt es nun eine heftige Debatte. Für eine Fortsetzung plädieren sowohl die oppositionelle CDU/CSU als auch die an der Bundesregierung beteiligte FDP. Ein Nein kommt von der sozialdemokratischen Bundesinnenministerin und aus Reihen der Polizei.
Einigkeit bei regierender FDP und oppositioneller CDU/CSU
Als einer der ersten hatte schon Ende Juni der Generalsekretär der liberalen FDP, Bijan Djir-Sarai, eine Verlängerung der Grenzkontrollen durch die Bundespolizei um ein Jahr gefordert. Der Fraktionschef der Freidemokraten im Bundestag, Christian Dürr, erneuerte an diesem Wochenende die Forderung seines Parteikollegen. "Ich halte es für bedenkenswert, die Grenzkontrollen beizubehalten, die wir zur EM eingeführt haben", sagte Dürr am Sonnabend der Funke Mediengruppe. "Die Kontrollen an deutschen Grenzen führen dazu, dass wir sehr effektiv diejenigen aufgreifen, die illegal ins Land kommen wollen."
Auch die Landesinnenminister der von CDU und CSU geführten Bundesländer machten sich auf ihrer Konferenz in Dresden am Freitag für eine Verlängerung stark: Die Kontrollen sollten fortgesetzt werden - bis zur nachhaltigen Sicherung der EU-Außengrenzen und zum Inkrafttreten des verbesserten Dublin-Systems zur Überstellung von Flüchtlingen in andere EU-Staaten.
Widerspruch von SPD-Ministerin und Polizeigewerkschaft
Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD sieht das offenbar anders: Laut einem Medienbericht lehnt sie eine Verlängerung der bundesweiten Grenzkontrollen nach der EM ab. Die Anwendung der vorübergehenden Anordnung von Binnengrenzkontrollen während der an diesem Sonntag zu Ende gehenden Fußball-EM sei "nur zeitlich begrenzt und als ultima ratio" gedacht, zitierte die "Bild am Sonntag" (BamS) einen Sprecher von Faesers Ministeriums. Weitere bundesweite Kontrollen müsste Deutschland bei der Europäischen Union anmelden. Dies sei aber nicht geplant.
Widerspruch zu den Forderungen von FDP und CDU/CSU kommt auch aus Reihen der für die Kontrollen zuständigen Bundespolizei. Nach Angaben des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, fehlen dafür das Personal, die Ausrüstung und das nötige Geld. "Die Grenzkontrollen haben während der EM zu 100 Prozent funktioniert. Es ist aber nicht auf Dauer durchhaltbar, die Grenzen in dieser Intensität zu schützen", machte Roßkopf in einem Interview des Redaktionsnetzwerkes Deutschland am Sonnabend klar. Der Bundespolizei fehlten in diesem Jahr bereits 500 Millionen Euro. Sie habe nicht die nötige Ausrüstung für flexible moderne Grenzkontrollen mit Überwachungsdrohnen und mobilen Container.
Offizielle Bilanz am Montag
Die Bundespolizei war nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom Mittwoch bei der EM täglich mit 22.000 Beamtinnen und Beamten im Einsatz. Ein Sprecher des Ministeriums hatte Zahlen der temporären Grenzkontrollen für den Zeitraum vom 7. bis 27. Juni publik gemacht. Demnach wurden rund 600 offene Haftbefehle vollstreckt und rund 150 Schleuser vorläufig festgenommen. In rund 3200 Fällen habe es "Einreise verhindernde Maßnahmen" gegeben. Laut "Bild am Sonntag" wurden Migranten zurückgewiesen und es sei mehr als 100 Fußball-Hooligans die Einreise verweigert worden.
Die Bundespolizei verzeichnete nach eigenen Angaben rund ein Drittel der unerlaubten Einreisen an den Grenzen zu Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlanden, Dänemark sowie im See- und Luftverkehr. Dort werde die Bundespolizei in Zukunft "das Instrument der Schleierfahndung einsetzen, um mit gezielten Kontrollen gegen grenzüberschreitende Kriminalität vorzugehen", heißt es dem "BamS"-Bericht zufolge aus dem Bundesinnenministerium. Die Bundespolizei kann dort dann keine Zurückweisungen an der Grenze mehr vornehmen.
Die aktuellsten Zahlen wird es an diesem Montag geben. Dann will Bundesinnenministerin Faeser zusammen mit Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) eine Bilanz der deutschlandweiten Grenzkontrollen während der EM ziehen.
AR/kle (dpa, rtr, afp)