Konflikte mit Somalias Teilrepubliken
10. Juli 2013Die Stimmung ist festlich an diesem Morgen in Garowe. In der Hauptstadt von Puntland, einer teilautonomen Republik von Somalia, wartet die Menge auf hohe politische Würdenträger, die an diesem Morgen Reden halten werden. Unter ihnen ist auch Abdirahman Mohammed Farole, der Präsident von Puntland. Grund für die festliche Stimmung: Eine internationale Hilfsorganisation hat in Puntland 1200 Häuser für Flüchtlinge aus dem stark kriegszerstörten Süden des Landes und aus Mogadischu gebaut, insgesamt haben mehrere tausend Menschen in Puntland Zuflucht gesucht.
Präsident Farole, fast auf die Minute pünktlich, sagt ein paar einleitende Worte, dankt der Hilfsorganisation und den Spendern - und wechselt dann das Thema: Die Regierung in der somalischen Hauptstadt Mogadischu halte sich nicht an die Verfassung. Man habe sich auf einen föderalen Staat geeinigt, aber Mogadischu behindere den Aufbau der Regionen. Wenn dieses Verhalten sich nicht ändere, warnt Farole, gehe der Konflikt in Somalia weiter. Dann ist der Präsident auch schon wieder weg.
Diskussionen über Auslegung der Verfassung
In Somalia brach 1991 ein Bürgerkrieg aus, der in Teilen des Landes bis heute anhält. Im Laufe des Konflikts bildete sich in Puntland im Norden Somalias eine halbautonome Regionalverwaltung, die sich jedoch nicht komplett von dem Staat abspalten wollte und sich weiter für den Wiederaufbau Somalias einsetzt. Sie ist bereit, sich der Zentralregierung um Hassan Sheikh Mohamud zu unterstellen, fordert aber für sich einen großen politischen Freiraum.
Die Regierung in Puntland behauptet, laut Verfassung müssten neue Republiken entstehen, also ein föderaler Staat aufgebaut werden. Mogadischu behauptet das Gegenteil: Vorgesehen sei eine starke Zentralgewalt. Das Problem: Die vorläufige Verfassung gibt beiden Seiten recht, sagt Cedric Barnes von der "International Crisis Group". "Das Problem ist entstanden, weil einige Fragen bei der Bildung der somalischen Regierung nicht eindeutig geklärt wurden", so Barnes. "Das rächt sich jetzt. Die Zentralregierung und die Regierungen der somalischen Teilrepubliken müssen diese Probleme nun lösen."
Eine Teilrepublik, zwei Präsidenten
Dasselbe Problem spitzt sich aktuell im Süden des Landes zu. Dort gründete sich 2011 ebenfalls eine autonome Verwaltung nach dem Vorbild von Puntland: Jubaland. Das an Kenia grenzende Gebiet wurde zuvor von Islamisten kontrolliert. Um den Status und Details der Selbstverwaltung gibt es bis heute Streitigkeiten zwischen Jubaland und der Zentralregierung Somalias.
Doch der Konflikt um Jubaland und seine bedeutende Hafenstadt Kismayo ist komplexer. Die Region am indischen Ozean kommt seit Jahren nicht zur Ruhe. Seit der Vertreibung der islamistischen Al-Shabaab-Miliz hat sich dort der von Kenia unterstützte Clan von Ahmed Madobe breitgemacht, der sich eigenmächtig zum Präsidenten ernannte. Seit Mai beansprucht eine weitere Person für sich, Präsident von Jubaland zu sein. Die somalische Zentralregierung unter Hassan Sheikh Mohamud erkennt keinen der selbsternannten Präsidenten von Jubaland an. In einem versehendlich an die Öffentlichkeit gelangten Briefwechsel vom Donnerstag (04.07.2013) beschuldigt die somalische Regierung Kenia, Partei für Madobe zu ergreifen. Dadurch sei Kenia auch mitverantwortlich für Kämpfe zwischen beiden Konfliktparteien in Kismayo, bei denen Anfang Juli nach UN-Angaben mehr als 70 Menschen getötet wurden.
Machtkampf zwischen Klans
"Das Schlimmste ist, dass der Konflikt um Kismayo und Jubaland nun zusätzlich zu einer Klan-Frage wurde, und damit hoch emotional wird", sagt der Analyst Cedric Barnes. "Es wird sehr schwer werden zu deeskalieren." Bis heute sind Klan-Fragen die entscheidenden Faktoren in der somalischen Politik. Es gibt fünf große Klanfamilien in Somalia. Präsidentschaftsanwärter Madobe in Jubaland gehört zu einer Untergruppe der Darod. In Puntland hat der Darod-Klan die Mehrheit. Wenn sich Madobe in Jubaland durchsetzen kann, würde das dem Klan landesweit mehr Gewicht als allen anderen geben. Die Zentralregierung in Mogadischu ist faktisch zwar gemischt, repräsentiert jedoch mehrheitlich die Hawiye, der auch der somalische Präsident angehört.