Neuer Streit um NPD-Verbot
6. August 2011Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) "strebt kein erneutes NPD-Verbotsverfahren an", das sagte ein Sprecher auf Nachfrage von DW-WORLD.DE. Friedrich begründet seine Ablehnung mit der Gefahr, dass ein Verbotsverfahren wie schon im Jahr 2003 scheitern könnte. Damals hatte die größte deutsche rechtsextremistische Partei triumphiert. Grünen-Chef Cem Özdemir nannte das Scheitern des letzten Verbotsverfahrens "eine Katastrophe".
NPD-Beobachtung ohne V-Leute "zu riskant"
2003 hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren gestoppt, weil zahlreiche V-Leute des Verfassungsschutzes in Bundes- und Landesführung der NPD aktiv waren. Auf solche Verbindungs- oder Vertrauensleute will Innenminister Friedrich wie die meisten seiner Parteikollegen aus CDU/CSU aber auch heute nicht verzichten. "Dies erscheint mir unter Sicherheitsgesichtspunkten zu riskant", begründete Friedrich in einem Zeitungsinterview.
"V-Leute sind keine Geheimdienstmitarbeiter, die in die NPD eingeschleust werden, sondern Neonazis, die Informationen an den Staat verkaufen", erklärt Autor Patrick Gensing, der das Buch "Angriff von Rechts. Die Strategien der Neonazis und was man dagegen tun kann" geschrieben hat.
In den gescheiterten Verbotsanträgen ging es darum, die aggressiv kämpferische Verfassungswidrigkeit der NPD zu belegen. Weil man dazu aber Aussagen von V-Leuten zitierte, hätte die NPD einwenden können, der Staat habe sie lanciert, um der Partei zu schaden. Solange also weiter V-Leute in der NPD bezahlt werden, kann ein neuer Verbotsantrag keinen Erfolg haben.
Kostenlose Werbung für die Partei in der Krise
Im Interview mit DW-WORLD.DE sagt Gensing, die NPD sei "auf jeden Fall verbotswürdig". Trotzdem fordert er, die jetzige Debatte sofort zu beenden, denn sie sei kostenlose Werbung für die NPD. Gensing betreibt auch das Internet-Projekt NPD-blog.info, das die rechtsextreme Bewegung in Deutschland beobachtet. Daher weiß er: "Es ist der Partei sehr wichtig, dass sie überhaupt noch wahrgenommen wird."
Nach seiner Überzeugung befindet sich die NPD in einer schweren Krise: Es gab eine ganze Reihe von schweren Wahlniederlagen - zuletzt bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt -, dazu kommen massive Finanzprobleme. So sieht es auch der Bundesverfassungsschutz. Der Abteilungsleiter Rechts- und Linksextremismus Artur Hertwig sagte: "Die Bilanz der NPD zur Jahreshälfte ist von einer Misserfolgsserie gekennzeichnet".
Sachsen-Anhalt will NPD-Verbot prüfen
Mit einem schnellen Ende der Debatte ist allerdings nicht zu rechnen. Der Innenminister Sachsen-Anhalts, Holger Stahlknecht (CDU), hat zu einer ergebnisoffenen Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingeladen. Sie soll darüber beraten, ob es neue Grundlagen für ein NPD-Verbot gibt. 14 der 16 Bundesländer haben ihre Teilnahme zugesagt, auch das Innenministerium will teilnehmen.
In Ostdeutschland ist die NPD besonders erfolgreich. In Sachsen-Anhalt hat sie gegen den deutschlandweiten Trend die Zahl ihrer Mitglieder erhöhen können. Außerdem wurden hier im Jahr 2010 gemessen an der Einwohnerzahl mehr rechtsextreme Gewalttaten erfasst als in jedem anderen Bundesland.
Die Täter sind zwar nicht unbedingt NPD-Mitglieder. Die Gefahr, die von der Partei ausgehe, erläutert Patrick Gensing, sei aber ihre aggressive Propaganda und die Zusammenarbeit mit militanten Neonazis.
(Kein) Steuergeld für rechte Hetze
"Ich bin schon lange für ein NPD-Verbot, weil man niemandem erklären kann, dass deren Hetze auch noch durch Steuergeld unterstützt wird". Das sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel in einem Interview mit der Bild am Sonntag. Wie Gabriel argumentieren die meisten SPD-Politiker. Tatsächlich standen der NPD im Jahr 2009 und 2010 nach den Regeln der deutschen Parteienfinanzierung jeweils knapp 1,2 Millionen Euro zu, in den Vorjahren war die Summe noch höher.
Der Betrag bemisst sich an den Wählerstimmen der Partei, an ihren Mitgliederbeiträgen und den Spenden, die sie erhalten hat. Die NPD ist derzeit noch in zwei Länderparlamenten und in etlichen Kommunalparlamenten vertreten. Es gab jetzt auch Politiker-Forderungen nach einem Ausschluss der NPD aus der Parteienfinanzierung. Das aber, so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, haben Experten schon vor Jahren als juristisch problematisch und unrealistisch verworfen.
NPD isolieren und über Rechtspopulismus reden
Man muss die NPD gesellschaftlich isolieren, verlangt Patrick Gensing. Nur so könne man verhindern, dass die rechtsextreme Partei etwa in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern unwidersprochen auf Kinderfesten und sonstigen Veranstaltungen ihre völkische und rassistische Propaganda verbreiten könne.
Von der Politik verlangt Gensing, dass man gerade nach dem Doppelanschlag in Norwegen nicht über die NPD, sondern über den Rechtspopulismus reden müsse, denn "rechtspopulistische Ideologie ist in der Gesellschaft viel breiter vertreten als Sympathie für die NPD". Die Meinungsforscher geben Gensing Recht. In einer Emnid-Umfrage stimmten Ende Juli 2011 68 Prozent der Befragten in Deutschland für ein NPD-Verbot.
Autorin: Andrea Grunau
Redaktion: Julia Elvers-Guyot