Streitfall Eurobonds: Es gibt auch Alternativen
23. Mai 2012Der Streit ist so alt wie die Schuldenkrise in der Eurozone: Soll die Euro-Gruppe, wenn sie denn schon eine gemeinsame Währung hat, nicht auch gemeinsame Anleihen herausgeben? Haften für diese Schulden würde dann nicht mehr ein einzelner, klammer Staat des Euroclubs, sondern die gesamte Währungsunion.
Der Vorschlag ist gar nicht so neu, wie man glauben mag. Einer der vehementesten Verfechter dieser Idee war Italiens Finanzminister Giulio Tremonti. Und der deutsche Finanzminister lehnte sie strikt ab. Der hieß aber nicht Wolfgang Schäuble, sondern Peer Steinbrück. Man schrieb das Jahr 2009, der Euro feierte seinen zehnten Geburtstag, und er wurde als großer Erfolg gefeiert - Tremontis Eurobonds hatten damals keine Chance.
Im Laufe der Zeit kam die Idee immer mal wieder auf. Jetzt entzündet sich der Streit erneut. Neben Italien will jetzt auch Frankreich durch solche Anleihen seine Refinanzierungskosten senken, während die Zinsen etwa für Deutschland beim Zusammenlegen der Anleihen steigen dürften. Unterstützung bekam Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande am Dienstag (22.05.2012) von der OECD, die einen Wachstumspakt fordert.
Keine gute Idee
Als kurzfristige Maßnahme zur Förderung des EU-weiten Wachstums schlägt die OECD ausdrücklich die Ausgabe gemeinsam abgesicherter Staatsanleihen vor, um die Rekapitalisierung des Bankensektors zu unterstützen und ein höheres Kreditangebot zu schaffen. Im Zuge der Weiterentwicklung des Euroraums könnten Eurobonds hilfreich sein, um das Vertrauen des privaten Sektors zu stärken, heißt es im neuen Konjunkturausblick der OECD. Strenge Haushaltsdisziplin und eine erfolgreiche Konsolidierung seien aber unabdingbar für solche zusätzliche Maßnahmen.
Keine gute Idee, sagen vor allem diejenigen Mitgliedsländer des Euroclubs, die sich an den Kapitalmärkten frisches Geld zu günstigen Zinsen ausleihen können. Und das ist nicht nur Deutschland. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass Österreich womöglich doppelt so hohe Zinsen zahlen soll, wie wir das bisher tun", sagt zum Beispiel Österreichs Finanzministerin Maria Fekter. "Solange die Haushaltsdisziplin in den Eurostaaten nicht zur Gänze eingehalten ist, solange die Stabilisierung nicht wirklich erreicht ist, solange es keinen direkten Einfluss gibt, wie Staaten wirtschaften und welche Fiskalmaßnahmen sie setzen, solange werde ich die österreichische Bonität nicht dafür hergeben."
Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke hält Eurobonds für "schlicht verfassungswidrig". Die Nachteile seien zudem gleich vierfach: "Eurobonds würden eine Haftung Deutschlands für alle in Europa aufzunehmenden Schulden bedeuten, den wichtigen Reformdruck von Krisenländern nehmen, die jährlichen Zinskosten für Deutschland um mindestens 15 Milliarden Euro erhöhen und ganz Europa weiter in den Schuldensumpf treiben", sagt Fricke.
Vollkasko ohne Selbstbeteiligung
Wichtigstes Argument gegen Eurobonds ist der so genannte "moral hazard". Günstige Zinskonditionen würden die klammen Peripherieländer der Währungsunion geradezu einladen, ihren Schlendrian weiter zu betreiben wie bisher. "Eurobonds sind wie eine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung", urteilt zum Beispiel Alexander Graf Lambsdorff, Vorsitzender der FDP im Europaparlament.
Befürworter der Eurobonds führen gerne ins Feld, dass selbst der deutsche Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem letzten Jahresgutachten eine Art Eurobonds vorgeschlagen habe. Die so genannten Fünf Weisen hatten im Herbst 2011 einen europäischen Schuldentilgungsfonds ins Spiel gebracht, der ebenfalls eine Gemeinschaftshaftung vorsieht.
Doch unterscheidet sich das Modell der Wirtschaftsweisen von der Idee der Eurobonds erheblich. Denn es verknüpft die Vorteile der Eurobonds - Zinserleichterungen für geschwächte Euro-Länder - und vermeidet die Nachteile. In den Genuss der günstigeren Finanzierung für den überbordenden Teil ihrer Verschuldung kämen nämlich nur solche Länder, die sich auf einen strikten Konsolidierungs- und Reformkurs verpflichten und Schulden tilgen. Wer schwächelt, fliegt raus. Am Ende dieses auf 20 bis 25 Jahre angelegten Fonds wäre die Schuldenbürde der Teilnehmer kleiner, der Fonds selbst auf Null zurückgefahren: Ein echtes Novum.
Indes: Bislang hat das Modell der Fünf Weisen in der Öffentlichkeit viel zu wenig Beachtung gefunden. Über 460 Seiten dick ist das Gutachten des Sachverständigenrates. Kanzlerin Merkel hatte es im November 2011 dankend entgegengenommen und anschließend in eine Schublade gesteckt, und dort schlummert es vermutlich heute noch - zu Unrecht.