Student und Firmenchef
12. April 2010Sebastian Gerhardy und Chris Junghans sitzen nebeneinander auf einem roten Designer-Sofa. Für den Besuch im Dreipunkt Store haben sie sich schick gemacht, tragen Sakkos zu Jeans und Turnschuhen. Ihnen gegenüber hat Mechthild Lönne in der Sitzgruppe Platz genommen. Sie arbeitet im Marketing des Dreipunkt Store in Köln, einem Möbelgeschäft in bester Lage direkt am Rhein. Chris Jungjohann holt einige Fußmatten-große Muster von Teppichen hervor. Auf dem obersten ist das Gesicht von Marilyn Monroe zu erkennen.
"Dieses Muster ist entstanden, um zu zeigen, dass wir in Sachen Motiv oder Bildgebung auf dem Teppich alle Möglichkeiten haben", sagt Jungjohann. Die beiden jungen Männer studieren im dritten Semester Wirtschaftswissenschaften an der Uni Witten-Herdecke. Mittlerweile sind sie Geschäftsführer des Unternehmens Custom Carpets, bei dem sich der Kunde seinen eigenen Teppich zusammenstellen kann.
Die Teppich-Werkstatt expandiert
Das Bild der Monroe aus Wolle geknüpft, Materialmix aus Kuhfell, Filz oder Seide – alles sei möglich, sagen die beiden. Produziert wird in China und Indien, wobei die jungen Geschäftsleute aber strikt darauf achten, dass die Arbeitsbedingungen fair sind. Zunächst hatten sie ihre Teppiche an Freunde und Bekannte verkauft, dann Messestände ausgestattet. Nun soll der hochwertige Möbelmarkt erobert werden.
Dass die beiden ein richtiges Unternehmen leiten, verdanken sie in erster Linie der so genannten Gründerwerkstatt an der privaten Universität Witten-Herdecke. Im Wintersemester 2008 / 2009 startete das Projekt. Schon in ersten Vorlesungswoche würden die Studierenden mit ihrer neuen Aufgabe konfrontiert, erzählt Professor Andreas Dutzi. „Ihnen wird gesagt, dass sie am Ende des Semesters ein Unternehmen gegründet haben müssen. Das klingt verrückt und die Studenten sind erst mal geschockt.“ Schnell ließen sie sich aber dann darauf ein, sich in Gruppen zusammen zu finden und Ideen zusammen zu werfen.
3000 Euro für die Gewinner
Andreas Dutzi bietet ein Seminar an, bei dem Probleme bei der Firmengründung besprochen werden. Parallel dazu werden die Studierenden während des Semesters von Unternehmern und Experten der Industrie- und Handelskammer beraten. Am Ende des Semesters müssen sie ihr Konzept vor einer externen Jury vorstellen.
Die besten Konzepte erhalten ein Startkapital – bei Custom Carpets waren das 3000 Euro. Die Universität hält sich ab diesem Zeitpunkt raus, das Risiko aber auch der Erfolg liegen komplett bei den jungen Geschäftsführern. Aber welchen Sinn macht es, schon ein Unternehmen zu gründen, während man die theoretischen Grundlagen gerade erst lernt?
So wird Buchführung ein interessantes Fach
"Vom Start im ersten Semester erhoffen wir uns, dass die Studenten mit ganz anderen Augen durch ihr Studium gehen", sagt Andreas Dutzi. Nur einige Konzepte schaffen es tatsächlich bis zur Unternehmensgründung. Aber auch die, die von der Jury nicht ausgewählt werden, hätten für ihr Studium viel mitgenommen, beobachtet Dutzi. Sogar vermeintlich langweilige Kurse, wie Buchführung zu Beispiel, hätten plötzlich real einen Nutzen für die Studenten. "Wenn sie Gründer sind, müssen sie schauen, dass diese vermeintlich langweilige Zahlenwelt auch stimmt, denn sie sind verantwortlich dafür."
Sebastian Gerhardy und Chris Jungjohann haben für ihr Studium einiges gelernt. Zum Beispiel, wie viel Arbeit es ist, ein Unternehmen zu leiten. Während andere Studenten Gitarre spielen oder ins Kino gehen, schreiben sie Mails an ihre Produzenten in China und Indien oder versuchen, auf Messen neue Kontakte zu knüpfen.
Mechthild Lönne vom Dreipunkt Store hört den jungen Geschäftsführern interessiert zu. Sie verlangt noch weitere Teppich-Muster, um sich besser vorstellen zu können, was bei Custom Carpets möglich ist. „Ich kann mir eine Zusammenarbeit vorstellen“, sagt sie zum Abschied. Die beiden jungen Unternehmer können mit ihrem Besuch zufrieden sein.
Autorin: Sola Hülsewig
Redaktion: Sabine Damaschke