Pauken an der GUtech
14. Oktober 2009Bis 1970 war das Sultanat Oman noch strikt von der übrigen Welt abgeschottet. Kein Ausländer durfte das Land betreten, kein Einheimischer ausreisen. Bildung war Mangelware in Oman, gerade einmal drei Schulen gab es im Land. Erst als der weltoffene Sultan Qaboos seinem Vater auf den Thron folgte, änderte sich das. Heute zählt der Oman zu den aufstrebenden Regionen im Osten der arabischen Halbinsel und Bildung spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Neben staatlichen Bildungseinrichtungen wie der Sultan Qaboos Universität in Muskat wurden seit 1996 auch private Universitäten neu gegründet. Eine davon ist die German University of Technology, kurz GUtech, ein Ableger der RWTH, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen.
Bildung steckt noch in den Kinderschuhen
"Den Omanis ist klar, dass Öl- und Gasresourcen nicht für die Ewigkeit reichen, doch ohne die wertvollen Rohstoffe würde ihr Land zu den ärmsten Regionen der Welt gehören", erklärt GUtech-Rektor Professor Dr. Burkhard Rauhut. "Deshalb investiert man jetzt in Bildung, um für eine Zukunft ohne Öl gerüstet zu sein."
Da das omanische Bildungssystem aber noch in den Kinderschuhen steckt und nicht mit internationalem Standard konkurrieren kann, holt man sich das Know How aus dem Ausland. Die GUtech wird von omanischen Privatiers finanziert, Professoren und Lehrpläne stammen aus Aachen.
Ein erster Fußabdruck am Golf
"Für die RWTH hat diese Zusammenarbeit durchaus Vorteile", sagt Professor Rauhut. "Zum einen ist es der erste Fußabdruck einer deutschen Universität im arabischen Raum. Weiterhin war für die RWTH ausschlagend, dass wir, ohne Kosten aufzuwenden, üben können, wie ausländische Tochteruniversitäten aussehen können." Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Vergreisung in Deutschland hält Rauhut es für unausweichlich, junge, gut ausgebildete Leute aus dem Ausland zu holen: "Deshalb ist es wichtig, solche Dependancen zu haben."
Qualität hat ihren Preis
Jung und motiviert sind die omanischen Studierenden, allerdings zahlenmäßig noch recht wenige. 60 Erstsemester hatten sich 2007 an der GUtech eingeschrieben, im letzten Herbst waren es bereits 140, langfristig hofft man in der Uni am Golf auf Studentenzahlen um die 10.000. Die Studiengebühren liegen bei 9000 Euro im Jahr, Qualität hat ihren Preis. Vier Fächer stehen zur Zeit auf dem Lehrplan: Geologie, IT, Städteplanung und Tourismus - Branchen mit Zukunft in Oman. Die Unterrichtssprache ist Englisch, aber auch Deutsch ist Pflichtfach, damit die Studierenden eines Tages ihren Master an der Mutter-Universität in Aachen absolvieren können.
Die Lust am Widerspruch wecken
Rund 70 Prozent der Studierenden sind Frauen. Kein Wunder, meint Professor Rauhut, denn in der islamischen Welt schicke man zwar Jungen zum Studieren ins Ausland, Mädchen aber nur in Begleitung des Vaters oder Bruders. Und noch einen gravierenden Unterschied zur Aachener Uni hat er festgestellt: Die Jugendlichen seien es nicht gewohnt, Älteren zu widersprechen oder kritische Fragen zu stellen, das liege in der arabischen Mentalität begründet. "Nachzuhaken ist aber der Kern jeder Wissenschaft", betont Rauhut. "Unsere erste Aufgabe ist also, die Kultur des Auswendiglernens zu durchbrechen und die Studierenden zum selbstständigen Denken zu motivieren. Sonst kann man keine wissenschaftlichen Studien betreiben."
Regen im Paradies
25 omanische Studierende der GUtech waren in diesem Sommer zu Gast in Deutschland. 14 Tage lang besuchten sie touristische Highlights in und um Aachen, schnupperten bei Stippvisiten in Seminaren erstmals deutsche Uni-Luft und entdeckten reichlich Ungewohntes. "Es war schon ein kleiner Kulturschock", erzählt der 19-jährige IT-Student Bilar Hayed. "Zum Beispiel laufen unsere Frauen in Oman verschleiert herum, und hier zeigen sich die Frauen recht freizügig. Und dann gibt es so viele alte Leute auf der Straße, die sogar Fahrrad fahren. Unsere Alten bleiben immer zuhause." Am besten aber hat Bilar der Regen gefallen. "Die Menschen in Aachen mögen ihn nicht, aber wir lieben ihn. In Oman sind es oft bis 50 Grad, daher kommt es uns hier wie im Paradies vor."
Nachts heulen die Wölfe
Dass junge Menschen aus Oman und Deutschland die Kultur des jeweils anderen kennen lernen und so eine Basis für eine zukünftige enge akademische Kooperation entsteht, ist ganz im Sinne der RWTH. Georesourcen-Management-Studentin Karina Schlesing nahm mit deutschen Kommilitoninnen und omanischen Studentinnen an einer Exkursion im Nordwesten des Omans teil. 3000 Kilometer legten die Mädchen in Jeeps zurück, übernachteten in Zelten und hörten nachts in der Wüste die Wölfe heulen. "Allein zu sehen, wie die Sonne den Sand richtig glutrot gefärbt hat, das war unglaublich", schwärmt die deutsche Studentin. "Wir haben mit den omanischen Mädchen auf einer riesigen Düne gesessen, und dort haben sie uns von der omanischen Kultur und Religion und Mythen erzählt, das war unvergesslich. Ich fahre auf jeden Fall wieder hin."
Autorin: Suzanne Cords
Redaktion: Gaby Reucher