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Sturm im sicheren Hafen

Jürgen Krämer, dpa5. Juni 2015

In dieser Woche kommt es zum zweiten Mal in kürzester Zeit zu schweren Turbulenzen bei Bundesanleihen, die sonst als "sicherer Hafen" gelten. Für EZB-Chef Draghi ist das Zeichen einer neuen Normalität.

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Symbolbild Russland Unwetter Schwarzes Meer
Bild: picture-alliance/dpa

Große Aufregung am Markt für europäische Staatsanleihen: Innerhalb von vier Wochen sorgten bereits zwei rasante Einbrüche für Alarmstimmung. Die heftigen Verluste trafen vor allem Bundesanleihen, die auch von vielen Privatanlegern wegen ihrer sprichwörtlichen Sicherheit besonders geschätzt werden. Es zeigten sich binnen weniger Tage Kursbewegungen, die es zuvor nur im Verlauf eines ganzen Jahres gegeben hatte.

"Am Rentenmarkt brennt die Luft", kommentierte der Experte Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank. Während die Kurse der Bundesanleihen einbrachen, schossen im Gegenzug die Renditen nach oben. Am Donnerstag war der Zinssatz für deutsche Staatsanleihen zeitweise bis knapp unter die Marke von einem Prozent gestiegen. Die Rendite war damit so hoch wie seit September 2014 nicht mehr. Zum Vergleich: Mitte April noch wurden zehnjährige Bundesanleihen mit einer Rendite von nahezu Null Prozent gehandelt.

Folge der EZB-Politik

Beobachter sehen die Kurseinbrüche als Folge der umstrittenen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Im Kampf gegen eine nach Einschätzung der EZB zu geringe Inflation hatte die Notenbank zahlreiche Maßnahmen gestartet. Zuletzt war sie im März in ein insgesamt billionenschweres Staatsanleihen-Kaufprogramm eingestiegen, um das angestrebte Ziel einer Teuerungsrate von knapp zwei Prozent zu erreichen. Mit dem Kauf von Staatsanleihen wird die Geldflut der EZB verstärkt, was in der Regel zu einer höheren Inflation führt.

Mit der vermehrten Nachfrage nach Anleihen durch die EZB stiegen zunächst auch die Kurse. Während viele Anleger dem Herdentrieb folgten und ebenfalls bei Anleihen zugriffen, trat aber plötzlich das Unerwartete ein: Es kam zu heftigen Einbrüchen, und Investoren wurden auf dem falschen Fuß erwischt.

Ein anderer Grund: die mangelnde Liquidität

Womit an den Finanzmärkten nämlich kaum einer gerechnet hatte: In der Eurozone legen die Verbraucherpreise schneller und stärker zu als erwartet. Im Mai lag die Inflation wieder bei 0,3 Prozent. Zuvor hatte die Sorge vor einer gefährlichen Deflation kursiert – also einem längeren Preisrückgang auf breiter Front, der die Konjunktur abwürgen könnte. In einer Deflation wären auch Anleihen mit Mini-Zinsen für Profi-Anleger interessant. Diese Überlegung spielte dann aber plötzlich keine Rolle mehr.

Die massiven Käufe von Staatsanleihen durch die EZB haben aber noch eine andere Konsequenz: Es gibt im freien Handel immer weniger verfügbare Papiere. Am Markt für europäische Staatsanleihen herrsche daher eine "mangelhafte Liquidität", die solche außergewöhnlichen Kursbewegungen erst möglich mache, erklärte Leuchtmann.

Und Draghi schaut nur zu

Wer auf eine Reaktion der EZB wegen der ungewöhnlich heftigen Ausschläge spekuliert hatte, sah sich abermals getäuscht. Die Botschaft, die EZB-Chef Mario Draghi am Mittwoch im Anschluss an die letzte Zinsentscheidung an die Anleger gerichtet hatte, lautete nämlich: "Eine Lektion ist, dass wir uns an Perioden mit größeren Kursausschlägen gewöhnen müssen."

Während bei Experten des Bankhauses Metzler nun langsam die Zweifel wachsen, ob sich die Finanzmärkte jemals wieder aus der "Scheinwelt" der außerordentlichen Maßnahmen der Notenbanken lösen können und wieder zur "realen Welt" der freien Märkte zurückkehren, zeigen die rasanten Kursbewegungen bei Bundesanleihen aber auch eines: Die Renditen von Staatsanleihen könnten sich wieder einem Niveau nähern, bei dem es für Anleger wieder interessant wird zu investieren.