Sturzgeburt SPD-Kanzlerkandidatur
24. Januar 2017Montag schien alles noch nach Plan zu verlaufen: Die Pressestelle der SPD schickte eine Mitteilung an die Medien. Der - etwas sperrige - Titel: "Vorstellung des SPD-Kanzlerkandidaten und Klausurtagung der SPD-Spitze in Berlin." Am Sonntag, den 29. Januar, so die Ankündigung, werde der SPD-Parteivorstand den Kanzlerkandidaten nominieren - und dessen Namen um 13 Uhr in einer Pressekonferenz verkünden .
Dienstagnachmittag erklärt der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, dann auch folgerichtig vor der Presse: Die SPD werde in dieser Woche über die Kanzlerkandidat beraten. "Lassen Sie sich überraschen." Die engere Parteiführung der SPD tritt am frühen Abend zusammen, um bei einem vertraulichen Treffen über die Frage zu beraten. Ob danach die Entscheidung gefallen ist und dann verkündet wird? Das sei offen, heißt es. Nach wie vor werden drei Namen gehandelt: SPD-Chef Sigmar Gabriel, der bisherige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der aus Brüssel in die deutsche Politik gewechselt ist und Olaf Scholz, Hamburgs Bürgermeister.
Kanzlerkandidat Schulz? "Völliger Blödsinn"
Wochenlang - allen Medienberichten zum Trotz - hatte die SPD sich eisern an den Zeitplan gehalten, den sie bereits im November vergangenen Jahres verkündet hatte. Selbst dann, als die Medien längst spekulierten, dass Martin Schulz Gabriels Job als Parteichef übernehmen wolle, folgte ein Dementi: "Das ist völliger Blödsinn", so ein Sprecher von Schulz im November 2016.
Nachdem dann Angela Merkel am 20. November bekannt gab, dass sie erneut antreten würde, stieg der Druck auf die SPD. Doch man wiederholte das stetige Mantra: Man werde sich an den Zeitplan halten.
Kurz nach Oppermanns Statement an diesem Dienstag laufen dann doch Eilmeldungen ein: SPD-Chef Sigmar Gabriel verzichte auf die Kanzlerkandidatur, heißt es. Und: er schlage stattdessen den bisherigen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz vor. Schulz solle auch Parteichef werden, melden die Agenturen weiter. Die Quelle der ganzen Aufregung sind Berichte des Magazins "Stern" und der Zeitung "Die Zeit".
Wenig später tritt ein etwas ratloser Oppermann erneut vor die Presse: Er "bedauere", dass er die Medien am Nachmittag nicht habe informieren können. Er habe von den Interviews nichts gewusst. Allerdings wisse er "seit einigen Tagen und auch schon länger", dass Gabriel Zweifel gehabt habe, ob er der geeignete Kanzlerkandidat sei.
Am Mittwoch will die SPD-Fraktion zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Dann wird sich Schulz den Abgeordneten vorstellen. Das ist der neue Plan. Den konnte Oppermann dann noch verkünden. Und dieses Mal wird man sich wohl dran halten.