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Stählerne Preise

Annika Schipke18. Mai 2004

Stahl ist zurzeit sehr gefragt und so teuer wie vor 15 Jahren. Der Grund für die Preisexplosion ist vor allem die starke Nachfrage aus China. Deutsche Stahlwerke kämpfen nun gegen Verluste: Sie haben sich verkalkuliert.

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Die Stahlproduktion läuft auf Hochtouren - der Stahlpreis auchBild: AP

Die Stahlpreise befinden sich derzeit auf dem höchsten Niveau seit 15 Jahren, für einzelne Stahlsorten sind inzwischen sogar historische Höchststände erreicht. So hat sich laut Statistischem Bundesamt vor allem der Betonstahl verteuert - um 86 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. "Eine derartige Preisexplosion wie im ersten Quartal diesen Jahres ist einmalig in der Geschichte des Stahlmarktes", bestätigt Andreas Möhlenkamp, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung (WSM), im Gespräch mit DW-WORLD.

Chinas Boom lässt Preise steigen

Der Gründe für die drastische Preissteigerung liegen in der erhöhten weltweiten Nachfrage nach Stahl. Vorreiter ist dabei China. Die Volksrepublik ist zurzeit der größte Einkäufer auf dem Rohstoffmarkt. Und auch der Stahlbedarf schnellt durch den wirtschaftlichen Boom Chinas immer weiter in die Höhe. Nach Angaben des Internationalen Eisen- und Stahlinstituts wird der Stahlverbrauch in China im Jahr 2004 um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr zunehmen und damit höher sein als der Stahlverbrauch der gesamten Europäischen Union. Zur gleichen Zeit stocken die USA im Taumel der anziehenden Konjunktur ihre Lagerbestände auf.

Auf diese starke Nachfrage waren die Stahlanbieter nicht vorbereitet. Stattdessen wurden in den vergangenen Jahren die Kapazitäten in den klassischen Produktionsländern wie Japan, Korea, Deutschland und den USA heruntergefahren. Und hier werden auch die Rohstoffe für die Stahlerzeugung knapp und damit teurer. Die deutsche Stahlindustrie ist davon besonders betroffen, da sie die Rohstoffe zum großen Teil importieren muss.

Arbeitsplätze in Gefahr

Vor allem die Zulieferer der stahlverarbeitenden Industrie haben mit erheblichen Verlusten zu kämpfen. Denn sie haben ihre Preise meist durch Langzeitverträge mit den Abnehmern fest gelegt. Darin sind zwar normale Schwankungen des Stahlpreises einkalkuliert. "Mit diesem Ausmaß der Preisaufschläge haben viele Unternehmen nicht gerechnet", sagt Andreas Möhlenkamp vom WSM. Deshalb müssen die Stahlwerke ihre Abnehmer häufig zu längst überholten Preisen beliefern.

Trotz steigender Umsätze brechen die Gewinne ein. Viele mittelständische Zulieferunternehmen stünden deshalb vor der Insolvenz. "Grob geschätzt sind in Deutschland bis zu 40.000 Arbeitsplätze in Gefahr", bestätigt Andreas Möhlenkamp. Ein Weg aus der Krise ist die Weitergabe der zusätzlichen Materialkosten an die Abnehmer. Im Fall der Automobilindustrie könnte das letztendlich den einzelnen Verbraucher treffen. Dagegen sperren sich aber die Hersteller. "Ein automatisches Durchreichen steigender Kosten würde nicht den Abläufen in einer marktwirtschaftlichen Ordnung entsprechen", heißt es beim Verband der Automobilindustrie (VDA).

Hoffnung auf Besserung

Dennoch wollen Vertreter der Automobilindustrie und der Stahlindustrie eine gemeinsame Lösung für die prekäre Lage der Zulieferer erarbeiten. Doch Andreas Möhlenkamp drängt auf schnelle Maßnahmen: "Zeit ist für unsere Unternehmen viel Geld." Die Stahlversorgung in Deutschland sei aber langfristig nach wie vor gesichert.

Und auch die deutsche Konjunktur sei durch den gestiegenen Stahlpreis nicht ernsthaft gefährdet, meint Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. "Auf den Verbraucher kommen dadurch keine massiven Veränderungen zu", sagt er. Die Erhöhung des Ölpreises hätte erheblich eklatantere Auswirkungen auf Wirtschaft und Verbraucher.

Angesichts der Bestrebungen Chinas, die eigene Wirtschaft abzukühlen, erwartet Gern außerdem eine Stabilisierung der Situation. "Die Rohstoffpreise sollten den Höhepunkt allmählich überschritten haben. Wir erwarten bereits im kommenden Jahr eine Entspannung der Situation."