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20. Juli 2009

Rettungskräfte sehen keine Möglichkeit mehr, die nach dem Erdrutsch in Nachterstedt vermissten Personen lebend unter den Trümmern der abgerutschten Häuser zu bergen. Bei Regen drohen weitere Erdbewegungen.

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Halbes Haus (Foto: dpa)
Die andere Hälfte des Hauses ist abgestürztBild: dpa

Die Suche nach den Vermissten des Erdrutsches in Sachsen-Anhalt ist am Montag (20.07.2009) offiziell eingestellt worden. Die Behörden erklärten, es bestehe keine Aussicht mehr, dass die drei Personen noch lebend geborgen werden könnten.

Den Tag über hatten sich Rettungskräfte vergeblich bemüht, an die Stelle heranzukommen, an der die Vermissten vermutet werden. Es gebe keine Chance, an diese Stelle zu gelangen, erklärte der Landrat des Salzlandkreises, Ulrich Gerstner, auf einer Pressekonferenz. Auch die Bundeswehr könne mit großem technischen Aufwand die Stelle nicht erreichen, zumal mit weiteren Erdabbrüchen gerechnet werden muss. Neu entstandene Risse führen bis zu einer zweiten, bisher nicht erreichten Häuserreihe, so dass den Anwohnern auch heute nicht gestattet wurde, in ihre Häuser zurückzukehren. Am Sonntagabend war ihnen erlaubt worden, in Begleitung von Rettungskräften wichtige Gegenstände und Dokumente aus den gefährdeten Häusern herauszuholen.

Ursache unklar

Am Samstag war die Gegend von einem gewaltigen Erdrutsch erschüttert worden, der zwei Häuser mehr als 100 Meter in die Tiefe riss. Die Erde brach auf einer Länge von einigen hundert Metern auf und stürzte in den angrenzenden Concordiasee. Das gesamte Gebiet wurde zum Katastrophengebiet erklärt. Seither versuchen Helfer des Technischen Hilfswerkes mit Unterstützung der Bundeswehr Schäden zu beseitigen.

Häuser am Rand der Unglücksstelle (Foto: AP)
Der Ort der KatastropheBild: AP

Trotz des Einsatzes von Wärmekameras und neuestem technischen Equippment konnten die 48-jährige Mutter und der 50 Jahre alte Vater eines taubstummen Kindes nicht ausgemacht werden. Sie waren vom Unglück im Schlaf überrascht worden. Ihr Haus wurde völlig zerstört und auf den Boden des riesigen Kraters gerissen. Zudem stürzte die Hälfte des Nachbarhauses ein und verschwand ebenso wie eine Aussichtsplattform und eine Straße. Insgesamt rutschte eine etwa sechs Fußballfelder große Fläche in die Tiefe. Rund 60 Bewohner aus umliegenden Häusern wurden bis auf weiteres in anderen Gebäuden untergebracht.

Bestürzte Menschen neben Polizeiauto (Foto: AP)
Mehr als 60 Anwohner mussten ihre Häuser verlassenBild: AP

Die Ursache der Katastrophe ist nach wie vor unklar. Der Sprecher der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), Uwe Steinhuber, vermutet eine Kombination von mehreren Faktoren. Es könne an der Böschung selbst oder am Altbergbau oder am steigenden Wasserstand gelegen haben. Dass es in anderen Orten zu ähnlichen Erdrutschen kommen könnte, schloss er aus.

Wer trägt die Verantwortung?

Steinhuber wies darauf hin, dass in der Region bereits vor mehr als 100 Jahren Tiefbergbau betrieben wurde. "Möglicherweise gibt es alte Schächte, die nicht entdeckt oder kartiert sind." Mit einer genauen Klärung der Unglücksursache wird erst in einigen Wochen gerechnet. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg leitete ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts auf fahrlässige Tötung ein.

Häuser am Rand der Unglücksstelle (Foto: AP)
Nach Einstellung des Braunkohletagebaus wurde das Fördergebiet geflutetBild: AP

Nachterstedt ist eine Gemeinde im nordöstlichen Harzvorland. Der Braunkohle-Abbau wurde nach Angaben der Kreisverwaltung des Salzlandkreises im Jahr 1991 eingestellt. Das Fördergebiet wurde geflutet. Aus dem Tagebau-Restloch wurde der Concordia-See, der sich zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt hat.

Sorge in rheinischen Abbaugebieten

Der Vorfall in Nachterstedt hat Angst und Schrecken in der Region ausgelöst. Zudem haben sich einige Verantwortliche aus anderen Gemeinden gemeldet. Sie befürchten, dass sich Ähnliches bei ihnen ereignen könnte. Die Bürgermeister von Düren und Erkelenz in Nordrhein-Westfalen plädierten dafür, dass sowohl bei den Plänen zur Flutung des Tagesbaus Inden als auch bei der Planung des Tagebaus in Garzweiler die Ereignisse von Nachterstedt berücksichtigt werden sollten.

Braunkohletagebau Garzweiler II bei Grevenbroich in Nordrhein-Westfalen (Foto: AP)
Blick auf den Braunkohletagebau Garzweiler II bei Grevenbroich in Nordrhein-WestfalenBild: AP

Der Geologische Dienst Nordrhein-Westfalen wies diese Befürchtungen allerdings umgehend als unbegründet zurück. "So etwas wie in Sachsen-Anhalt kann in Nordrhein-Westfalen nicht passieren", sagte der Sprecher der Landeseinrichtung, Ludger Krahn. Die Sicherheitsabstände der Siedlungen zu den Tagebau-Kanten seien deutlich größer als in Sachsen-Anhalt. Außerdem gebe es keine alten Bergbauschächte, die das Gelände instabil machen könnten, fügte er hinzu. (hel/mas/gri/dpa/afp/ap)