Sudan: Hungersnot nimmt zu, Kriegsparteien blockieren Hilfe
26. März 2024Endlich sei das richtige Wort gefallen, meinen die Aktivisten in der sudanesischen Regionalhauptstadt Al-Faschir: Die Vereinten Nationen (UN) warnen vor einer "Hungerkatastrophe" im Sudan. Damit, so die Helfer, sei die Dramatik der Lage angemessen beschrieben.
Seit einem Jahr betreibt die Aktivistengruppe eine Gemeinschaftsküche, um Hungernde zu versorgen. Doch über Monate waren ihre Mitglieder nicht in der Lage, die nötigen Gelder aufzutreiben oder Lebensmittel zu beschaffen.
"Zum Schluss gingen uns am 15. Februar die Lebensmittel aus", sagt einer der Gründer der Initiative im Gespräch mit der DW. "Seither konnten wir niemanden mehr versorgen".
Seinen Namen will der Helfer aus Angst vor möglichen Repressalien nicht nennen. Derzeit ist die Region um Al-Faschir Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen. Für viele Familien in der Region habe dies schlimme Konsequenzen, so der Helfer: Sie bekämen nicht einmal eine Mahlzeit am Tag.
Seit Beginn des Krieges im Sudan vor einem Jahr spielen Gemeinschaftsküchen und andere bürgerschaftlich organisierte geleitete Hilfsinitiativen, im Englischen "Emergency Response Rooms" (ERRs) genannt, eine wichtige Rolle für die Versorgung der Bevölkerung.
Unverzichtbare Hilfe
Nach einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen haben die ERRs über vier Millionen Zivilisten mit schneller Hilfe unterstützt. Dazu zählen die Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln sowie medizinische Hilfe. Außerdem reparieren sie beschädigte Stromleitungen und sorgen sich um sichere Evakuierungsrouten.
"Teilweise waren die lokalen Helfer die einzigen, die überhaupt humanitäre Hilfeleistungen erbrachten", sagt Michelle D'Arcy, Sudan-Länderdirektorin der humanitären Organisation Norwegian People's Aid, im DW-Interview. "Doch so bewundernswert diese Initiativen auch sind: Letztlich reichen sie nicht aus, um den massiven Bedarf vor Ort zu decken."
Tote, Hungernde, Vertriebene
Der brutal geführte Konflikt zwischen den von General Abdel Fattah al-Burhan geführten Sudanesischen Streitkräften (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) unter dem Kommando von General Mohamed Hamdan Dagalo (auch Hemeti genannt) begann im April 2023. Anlass war ein Streit um die geplante Integration der RSF in die Armee des Landes. Der Konflikt verursacht die vielleicht schon jetzt größte humanitäre Krise weltweit - oder ist zumindest verantwortlich, dass der Sudan auf dem Weg dorthin ist und die Lage immer kritischer wird.
Nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen sind rund 18 Millionen Menschen im Sudan, also über ein Drittel der Bevölkerung, von akuter "Ernährungsunsicherheit" betroffen. Darunter seien 14 Millionen Kinder, die dringend humanitäre Hilfe benötigten, erklärte Mandeep O'Brien, UNICEF-Vertreterin im Sudan, Mitte März.
Bereits jetzt sind 2,9 Millionen Kinder akut unterernährt, informierte kürzlich der sogenannte Nutrition Cluster im Sudan, eine Partnerschaft internationaler Organisationen und Ministerien. Zudem fürchte man, in den kommenden Monaten könnten rund 222.000 stark unterernährte Kinder und mehr als 7000 junge Mütter sterben, würden ihre Ernährungs- und Gesundheitsbedürfnisse nicht erfüllt.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration wurden durch den andauernden Konflikt rund 8 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Zudem wurden Tausende getötet.
Trotz dieser ernsten humanitären Lage ist keine der verfeindeten Parteien bereit, humanitären Organisationen und Gütern uneingeschränkten und ungehinderten Zugang zu gewähren.
"Leider muss ich berichten, dass es vor Ort keine großen Fortschritte gegeben hat", erklärte der Direktor für humanitäre Einsätze der UNO, Edem Wosornu, kürzlich vor dem UN-Sicherheitsrat.
Systematisches Aushungern
"Mehrere Aspekte erschweren die Schaffung von Korridoren für humanitäre Hilfe und die Einrichtung entmilitarisierter Zonen", sagt die Politologin Hager Ali, die am Hamburger GIGA-Institut zur Rolle von Streitkräften in den arabischen und nordafrikanischen Ländern forscht, im DW-Gespräch.
"Um die sudanesischen Streitkräfte zu sabotieren, besetzen die Rapid Support Forces (RSF) bestimmte Straßen oder Engpässe und blockieren damit den Nachschub für die Truppen." Dies betreffe dann aber auch nicht-militärische Güter, so Ali. Die RSF plünderten alles, was ihnen in die Hände fiele. Anstatt es vor Ort an die Gemeinden zu verteilen, verkauften sie es.
Umgekehrt kontrollierten und blockierten auch die regulären Streitkräfte (SAF) den Zugang für humanitäre Hilfe auf dem Weg in die von der RSF gehaltenen Gebiete, so Ali weiter.
Die andauernde Gewalt hindere die Bauern daran, ihre Felder zu bestellen. "Eine der Taktiken der RSF-Kriegsführung ist es, die Bevölkerung auszuhungern. Genau das passiert derzeit im Bundesstaat Dschasira", sagte Ali gegenüber DW. Unter normalen Umständen produziere der Bundesstaat im Südosten des Landes nahezu die Hälfte der gesamten sudanesischen Weizenproduktion.
"Als die RSF die Macht übernahm, verbrannten sie Ernten und plünderten Lager, stahlen Landmaschinen und sogar Saatgut für die Aussaat", sagt Ali. Außerdem würden die Bauern vor die Wahl gestellt, sich den Milizen anzuschließen oder hingerichtet zu werden.
Hoffnung auf Geberkonferenz
Zivilgesellschaftliche Aktivisten und andere humanitäre Helfer blicken nun bereits in Richtung einer Mitte April angesetzten Geberkonferenz in Paris. Der Bedarf des Landes ist weiterhin riesig: Der diesjährige humanitäre Hilfsplan der Vereinten Nationen in Höhe von 2,7 Milliarden US-Dollar (knapp 2,5 Milliarden Euro) ist nur zu vier Prozent finanziert. Er umfasst bisher lediglich 131 Millionen US-Dollar (knapp 121 Million Euro).
Doch trotz aller Herausforderungen geben die Aktivisten der Gemeinschaftsküche in Al-Faschir nicht auf. "Wir werden weiterhin Vorschläge Vorschläge an humanitäre und Nichtregierungsorganisationen schicken. Wir hoffen, dass die Finanzierung irgendwann wieder anläuft", sagen sie.
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.