Brunei führt Scharia ein
30. April 2014Gerade einmal rund 420.000 Menschen leben in dem Königreich an der Nordwestküste der Insel Borneo. Fast 70 Prozent von ihnen sind Muslime. Ab Donnerstag nun soll das Scharia-Strafrecht in Brunei gelten. Die neuen Rechtsvorschriften würden schrittweise eingeführt, erklärte Sultan Hassanal Bolkiah.
Menschenrechtsorganisationen äußerten scharfe Kritik an den Plänen. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNCHR) zeigte sich bereits Anfang April "zutiefst besorgt" und kritisierte die Pläne und die vorgesehene Hinrichtungsart der Steinigung als einen Widerspruch zu internationalem Recht. Auch in der Bevölkerung, die den König traditionell als unanfechtbare Autorität akzeptiert, gab es Kritik.
Steinigung, Amputationen, Peitschenhiebe
"Die Theorie besagt, dass Allahs Gesetz hart und unfair ist, aber Allah selbst hat gesagt, dass sein Gesetz tatsächlich fair ist", sagte der Sultan nun in Reaktion auf die Kritik. Die Behörden versicherten, es würden strenge Kriterien bei der Anwendung der Körperstrafen gelten und Richter hätten weiten Spielraum bei ihrer Verhängung. Das Religionsministerium wies die Moscheen an, Feiern zur Einführung der Scharia abzuhalten.
Das Scharia-Recht sieht für eine Reihe von Gesetzesverstößen sogenannte Körperstrafen wie Steinigung und die Amputation von Gliedmaßen sowie Peitschenhiebe vor. In Brunei sollen künftig unter anderem Mord, Vergewaltigung, Raub, außereheliche sexuelle Beziehungen von Muslimen, Ehebruch, Schmähung des Koran und öffentlicher Abfall vom Islam mit dem Tod bestraft werden. Auch werden unislamische Publikationen verboten.
Ein absolutistischer Herrscher
In dem Königreich wird der Islam seit langem deutlich konservativer ausgelegt als in seinen muslimischen Nachbarstaaten Indonesien und Malaysia. Schon bisher ist das Rechtssystem Bruneis ist zweigleisig: Es verbindet seit der britischen Kolonialzeit eine zivilrechtliche Gerichtsbarkeit nach britischem Vorbild mit einer Scharia-Rechtsprechung für Fragen des Familienrechts. Im Strafrecht galt die Scharia bisher nicht.
Bruneis Herrscher, Sultan Bolkiah, regiert seit 1967 das ölreiche Mini-Land. Der 67-Jährige ist absoluter Monarch, Staatsoberhaupt sowie Premierminister, Finanz- und Verteidigungsminister in Personalunion und gilt als einer der reichsten Männer der Welt. Seine Familie führt Brunei streng autoritär bereits seit sechs Jahrhunderten. Zur Vorbereitung der Scharia-Einführung hatte Bolkiah eine Delegation nach Saudi-Arabien geschickt, um von den dortigen "beispiellosen Erfahrung in dieser Materie zu profitieren".
cw/sc (afp, dpa, kna, epd)