Superbehörde für Heimatschutz
29. Oktober 2003Seltener Besuch: ein US-Minister auf Deutschland-Visite. Am Mittwoch (29.10.2003) kommt Tom Ridge nach Berlin, um sich mit Bundesinnenminister Otto Schily zu beraten. In Deutschland ist Ridge keine sonderlich bekannte Person, und das, obwohl er das zweitgrößte Ministerium der USA leitet. Tom Ridge ist Minister für Heimatsicherheit und damit der Chef von mehr als 170.000 Mitarbeitern und einem Etat von rund 37 Milliarden Dollar.
Ridge kommt mehr oder weniger als Bittsteller zu Schily. Denn das US-Ministerium plant, alle Besucher bei der Einreise künftig genauestens zu durchleuchten. Damit ein Mensch zweifelsfrei identifiziert werden kann, sollen in den – natürlich maschinenlesbaren und fälschungssicheren – Reisepass auch biometrische Daten aufgenommen werden; zum Beispiel ein Fingerabdruck oder unfälschbare Augenmerkmale. Bei der Erfassung und Registrierung dieser Daten sind die Amerikaner auf die Mitarbeit der ausländischen Behörden angewiesen: Wer den Reisepass herausgibt, bestimmt schließlich auch, welche Daten dort gespeichert werden.
Auftrag: Absolute Sicherheit vor Terroranschlägen
Mit den rigiden Grenzkonrollen wollen die USA verhindern, dass sich ein Terroranschlag wie am 11. September 2001 wiederholen kann: Schon bei der Einreise sollen mögliche Attentäter herausgefiltert werden. Neben der Kontrolle der Einreisenden hat das Ministerium für Heimatsicherheit zahlreiche weitere Aufgaben übernommen. So koordiniert es die Zusammenarbeit der Geheimdienste, kümmert sich um so genannte weiche Ziele wie Restaurants, Supermärkte oder Hotels und erstellt täglich einen Terrorbedrohungs-Indikator, der in fünf Stufen von grün bis rot die jeweils aktuelle Terrorgefahr angibt.
Totale Sicherheit ist kaum machbar
Das Ministerium für Heimatsicherheit, auch ein Modell für Deutschland? Wohl kaum, glaubt Stefani Weiss, Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe "Zukunft der Sicherheit" bei der Bertelsmann-Stiftung. "Die Effizienz des Heimatschutsministeriums wurde bisher nicht wirklich auf die Probe gestellt", so Weiss. Zudem dürfe man nicht unterschätzen, dass es bestimmte Probleme bei der Terrorbekämpfung gibt, die sich auch durch die Gründung eines eigenen Ministeriums nicht beseitigen lassen. "Gibt es eine Terrorwarnung, sind die Menschen besonders vorsichtig, wodurch ein tatsächlich vorbereiteter Anschlag vielleicht ausbleibt", meint Weiss. Doch dadurch, dass es keinen Anschlag gibt, lst die Aufmerksamkeit der Menschen mit der Zeit nach. Nach dem Motto "ist ja schon wieder nichts passiert" kommt es zu Gewöhnungseffekten, wodurch Warnungen irgendwann wirkungslos werden.
Föderalismus als Problem
Defizite bei der Terrorbekämpfung sieht die Arbeitsgruppe der Bertelsmann-Stiftung aber sehr wohl in Deutschland. Wegen der föderalen Struktur und Kommunikationsdefiziten zwischen Polizei- und Geheimdiensten sei ein ausreichender Schutz der Bevölkerung gegen Terror nicht erreichbar, so Eckart Werthebach, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. In Deutschland ist es daher denkbar, so Werthebach in einer Studie für die Bertelsmann-Stiftung, dass gleichzeitig mehrere Verfassungsschutzbehörden Hinweise auf Terroristen bearbeiten, sie als schlichte Verdachtsfälle behandeln, einander nicht unterrichten und daher eine Gefahr von keiner Seite erkannt wird.
Eine Lösung – so der Vorschlag von Werthebach – könnte die Einrichtung eines Sicherheitsberaters der Bundesregierung sein. Seine Aufgaben könnten unter anderem darin bestehen, Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt zu kooridinieren oder auch bundesweite Warnungen vor geplanten Terrorangriffen herauszugeben – letzlich das, was auch das amerikanische Ministerium für Heimatsicherheit macht; nur eben nicht mit 170.000 Menschen und einem Jahresbudget von 37 Millliarden Dollar.