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Syphilis – Chamäleon der Medizin

Gudrun Heise16. Juli 2012

Lange Zeit dachten Mediziner, die Syphilis gehöre endgültig der Vergangenheit an. Die neuesten Erhebungen des Robert-Koch-Instituts zeigen aber einen dramatischen Anstieg der Infektionen in Deutschland.

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Syphilis-Erreger Treponema pallidum (Foto: PD Dr. Annette Moter/Charite-Universitätsmedizin Berlin)
Bild: picture-alliance/dpa/PD Dr. Annette Moter/Charite-Universitätsmedizin Berlin

Berühmte Persönlichkeiten wie Frédéric Chopin, Heinrich Heine, Charles Baudelaire, Friedrich Nietzsche – sie alle sollen Syphilis gehabt haben, eine Krankheit mit vielen Gesichtern und mit vielen Namen: Die Franzosenkrankheit wird sie genannt, die Lustseuche, und sie wird als Chamäleon der Medizin bezeichnet.

Die Syphilis ist eine meldepflichtige Infektionskrankheit. Lange Zeit schien sie in die Vergangenheit zu gehören und nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Doch im Jahr 2011 wurden im Robert-Koch-Institut – das in Deutschland Infektionskrankheiten erforscht und überwacht – rund 3700 Fälle dieser Geschlechtserkrankung registriert. Verglichen mit dem Vorjahr ist das eine Zunahme von fast 22 Prozent.

Schwarz-Weiß-Bild von Friedrich Nietzsche
Friedrich Nietzsche, eine der vielen berühmten Persönlichkeiten mit SyphilisBild: picture-alliance/ ZB

"Wir sehen, dass es in den meisten Fällen Männer sind, etwa 93 Prozent", so Dr. Viviane Bremer vom RKI zur Deutschen Welle. "Von dieser Prozentzahl wiederum sind es zum größten Teil Männer, die Sex mit anderen Männern haben." Viele von ihnen haben sexuellen Kontakt mit mehreren Partnern. Das Risiko, sich anzustecken, ist für sie deshalb ungleich größer.

Übertragung durch Bakterien

Die Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Treponema Pallidum ausgelöst wird, überträgt sich hauptsächlich beim Geschlechtsverkehr. Zu den ersten Anzeichen einer Ansteckung kann etwa gehören, dass die Lymphknoten in der Leistengegend anschwellen oder Geschwüre im Genitalbereich auftreten. Die sind aber meist schmerzlos und werden deshalb nicht immer ernst genug genommen.

"Sie heilen nach einer oder nach zwei Wochen auch ohne Behandlung wieder ab", so Professor Norbert Brockmeyer von der Universitätsklinik Bochum im Gespräch mit der Deutschen Welle. Viele glaubten dann, das Problem sei gelöst. Eintrittspforten für den Syphilis-Erreger aber gibt es nicht nur an den Geschlechtsteilen. "Das gleiche gilt natürlich auch für Oralverkehr, dann entstehen die Ulzerationen, die kleinen Geschwüre also, im Bereich der Lippen, des Rachens, an der Zunge, wo auch immer der Erreger eingetreten ist", so Brockmeyer.

Eine Krankheit in Wellen

Medikament der Wahl gegen die Syphilis ist nach wie vor Penicillin. Wird die Syphilis früh genug erkannt, verabreicht der Arzt das Antibiotikum zur Heilung einmalig intramuskulär. Wird die Krankheit nicht direkt behandelt, ist sie weiterhin ansteckend und verläuft in verschiedenen Stadien. Am gesamten Korper kann es zu Hautausschlag kommen, auch an den Fußsohlen oder in den Handinnenflächen. 

Syphilis - Hautausschlag Hautausschlag auf der Innenseite der Hand (Foto: Universitätsklinikum Bochum)
Hautausschlag ist bei Syphilis nur eines von vielen möglichen SymptomenBild: Universitätsklinikum Bochum

Noch Jahrzehnte nach der Infektion kann eine nicht therapierte Syphilis in das sogenannte Tertiärstadium übergehen. Geschädigte Blutgefäße, Geschwüre, Entzündung des Sehnervs bis hin zu lebensgefährlichen inneren Blutungen – es ist eine lange Liste von Symptomen. Die grauenvolle Steigerung ist das Quartärstadium – Wahnideen und Halluzinationen, Demenz, Lähmungen – diese Spätfolgen können dann sogar zum Tod führen.

Sexually Transmitted Infections (STI)

Auch im späteren Verlauf kann die Syphilis noch erfolgreich behandelt werden. Das war früher nicht möglich. "Das heißt, die Leute haben sie – so wie heute HIV – ihr ganzes Leben mit sich herumgetragen", so Professor Brockmeyer. Aber anders als bei der Immunschwächekrankheit schützt ein Kondom vor Syphilis nur bedingt, denn das Bakterium kann über intakte Schleimhaut oder kleine Hautrisse in den Organismus gelangen und breitet sich dann im gesamten Körper aus.

"Daher brauchen wir uns auch gar nicht zu wundern, dass wir zwar einen Rückgang der HIV-Infektionen gesehen haben, aber einen Anstieg der Syphilis-Infektionen und auch anderer sexuell übertragbarer Erkrankungen, die STIs", erklärt Brockmeyer, der auch Präsident der Deutschen STI Gesellschaft ist. STI ist die Abkürzung für Sexually Transmitted Infections, ein Begriff, der möglichst in den deutschen Sprachgebrauch übernommen werden soll, genau wie Aids und HIV.

Und um die Risikogruppen, die Bevölkerung und auch die Mediziner für mögliche Infektionen und Infektionswege zu sensibilisieren, begrüßt Brockmeyer sehr, dass die Bundeszenrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die Aufklärungskampagnen in diesem Jahr auf sämtliche, gefährliche Geschlechtskrankheiten ausgeweitet hat. Das gesamte Feld der sexuellen Gesundheit müsse in den Blick genommen werden. Aufklärung ist eben die beste Prävention.