Eine Antwort und noch viele Fragen
17. September 2013UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich schwer geschockt: "Es ist der furchtbarste Einsatz von Massenvernichtungsmitteln im 21. Jahrhundert. Die Menschheit hat die Pflicht, den Einsatz solcher Waffen zu unterbinden."
Die UN-Chemiewaffeninspektoren haben in Syrien "klare und überzeugende" Beweise für einen Angriff mit dem Nervengas Sarin gefunden. Das Giftgas sei am 21. August in der Nähe von Damaskus mit Boden-Boden-Raketen verschossen und "auch gegen Zivilisten, darunter viele Kinder", eingesetzt worden, heißt es in dem 38-seitigen Bericht des schwedischen Professors Åke Sellström.
Gas wirkte lange in Bodennähe
Dabei hätten auch die Wetterbedingungen dazu beigetragen, dass so viele Menschen getötet oder verletzt worden seien, stellten die Inspektoren fest. Die Temperaturen seien zwischen zwei und fünf Uhr morgens gesunken, dadurch sei die Luft nicht aufgestiegen, sondern gefallen. Das schwere Gas habe nah am Boden verharren und in tiefer gelegene Bereiche von Gebäuden eindringen können, wo viele Menschen Schutz gesucht hätten. Bei dem Giftgasangriff vor vier Wochen sollen mehr als 1400 Menschen ums Leben gekommen sein.
Syriens Regierung und die Rebellen beschuldigen sich gegenseitig, die weltweit geächteten Waffen einzusetzen. Doch die Inspektoren durften nur untersuchen, ob und welche Chemiewaffen eingesetzt wurden. Für die Klärung der Frage, wer für den tödlichen Einsatz verantwortlich ist, hatte die UN-Delegation ausdrücklich kein Mandat.
Welche Strafen dürfen angedroht werden?
Die Untersuchungsergebnisse werden höchst unterschiedlich gedeutet: Für die US-Regierung und ihre Verbündeten belegt der Bericht, dass hinter dem tödlichen Gasangriff nur Regierungstruppen stecken können. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte umgehend, es bestehe "kein Zweifel", dass die Regierung von Präsident Baschar al-Assad hinter dem Angriff stecke. Auch die UN-Gesandten Großbritanniens und der USA sehen die Verantwortung Assads als nun erwiesen an. Bundesaußenminister Guido Westerwelle fordert die Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofs, um das "zivilisatorische Verbrechen" zu ahnden.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch argumentiert so: Sowohl die 330-Millimeter Raketen mit 50 bis 60 Liter Sarin als auch die 140-Millimeter-Raketen russischer Bauart gehörten zum Arsenal der syrischen Armee. Sie seien nie in der Hand der Rebellen gesehen worden. Auch der Einsatz einer solch bedeutsamen Menge an Sarin weise auf eine Verantwortung der Regierung hin. Wenn man zwischen den Zeilen lese, sei es also nicht schwierig, die Schuldigen zu finden.
Frankreich und Russland finden keine gemeinsame Linie
Russland hingegen hält den nachgewiesenen Chemiewaffeneinsatz in Syrien für eine gezielte "Provokation". Das sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow in Moskau nach einem Treffen mit seinem französischen Kollegen Laurent Fabius. Zuvor hatte Lawrow bereits erklärt, wer eine UN-Resolution anstrebe, die automatisch militärische Strafmaßnahmen gegen Syrien erlauben würde, habe nicht verstanden, was er mit seinem US-Kollegen John Kerry vereinbart habe. Die geplante Resolution des UN-Sicherheitsrats solle, so der russische Außenminister, nicht unter Berufung auf Kapitel Sieben der UN-Charta verabschiedet werden und keine Gewaltanwendung legitimieren.
Fabius sagte hingegen, es gebe "keinen Zweifel an der Verantwortung des Regimes in Damaskus" unter der Führung von Assad für den Chemiewaffeneinsatz. Frankreich, die USA und einige andere westliche Länder sind für eine UN-Resolution, die ausdrücklich militärische Aktionen im Sinne des Kapitels Sieben der UN-Charta androht. Das würde auch einen Militärschlag gegen Syrien ermöglichen.
Fabius und Lawrow räumten ein, dass es "unterschiedliche Herangehensweisen" in der Frage gebe, wie der seit Frühjahr 2011 andauernde Bürgerkrieg mit mehr als 100.000 Toten in Syrien beendet werden soll.
nem/rb/li (afp, ape, dpa, rtr)