"Koordinierte Boden-Luft-Angriffe"
2. Oktober 2015Für den syrischen Außenminister Walid al-Mualem (Artikelbild) ist es schlicht unmöglich, den seit viereinhalb Jahren tobenden Bürgerkrieg in seiner Heimat nur über diplomatische Kanäle und Verhandlungen zu beenden. Keiner sollte glauben, dass ein solcher Weg gangbar wäre, machte der Außenminister in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung in New York deutlich.
Zugleich signalisierte er, die Regierung von Präsident Baschar al-Assad sei bereit, sich an Arbeitsgruppen zu Syrien zu beteiligen, die der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura eingerichtet hat. Die Ergebnisse seien ja nicht bindend, schwächte er seinen Vorstoß gleich wieder ab. Die Arbeitsgruppen haben das Ziel, ein Rahmenwerk für einen politischen Übergang in Damaskus auszuarbeiten.
"Mit der Armee abstimmen"
Al-Mualem unterstrich zugleich, dass Luftschläge allein gegen Terroristen wie die Kämpfer des "Islamischen Staates" (IS) nicht ausreichten, um die Dschihadisten in die Knie zu zwingen. Dies hätten die bisherigen Militäroperationen gezeigt. Die Luftangriffe müssten mit der syrischen Regierung und der Armee abgestimmt werden. Nur dann könnten sie erfolgreich sein. Er bestätigte nochmals, das Eingreifen Russlands mit Kampfflugzeugen sei auf Bitten der Regierung in Damaskus erfolgt.
Moskau: Luftschläge werden ausgeweitet
Russische Kampfjets fliegen seit Mittwoch Angriffe in dem Bürgerkriegsland. Die Luftschläge sollen noch ausgeweitet werden, wie der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des russischen Parlaments, Alexej Puschkow, im französischen Radiosender Europa 1 erklärte. "Ich denke, die Intensität ist wichtig", sagte der einflussreiche Abgeordnete. "Die US-Koalition tut seit einem Jahr so, als ob sie den 'Islamischen Staat' bombardiert, aber es gibt keine Ergebnisse. Wenn man es effizienter macht, wird es, denke ich, Ergebnisse geben."
Der Westen wirft dem Kreml vor, vornehmlich nicht IS-Terroristen, sondern gemäßigte Rebellengruppen anzugreifen, die Assad bekämpfen. Der Machthaber ist ein enger Verbündeter Moskaus.
Bodenoffensive im Norden Syriens?
Auch an diesem Freitag bombardierten russische Jets Ziele in Syrien. Erstmals nahmen sie die IS-Hochburg Al-Rakka im Norden des Landes ins Visier, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Zwölf Extremisten seien getötet worden. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau wurde eine IS-Kommandozentrale südwestlich von Al-Rakka zerstört. Laut Aktivisten setzte die russische Luftwaffe auch ihre Angriffe auf die nordsyrische Prvinz Idlib fort, die von mehreren Rebellengruppen beherrscht wird, die den IS bekämpfen. Darunter ist auch die Al-Nusra-Front, ein Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida.
Berichte über iranische Bodentruppen in Syrien wurden jetzt auch von der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA) bestätigt. Truppen der iranischen Revolutionsgarden und der libanesischen Hisbollah-Miliz seien zusammengezogen worden. Es gebe verlässliche Informationen, dass sie im Norden Syriens eine Bodenoffensive mit russischer Luftunterstützung planten, sagte FSA-Kämpfer Osama Abu Seid der Deutschen Presse-Agentur.
Scharfe Kritik des Westens
Deutschland, die USA und mehrere andere Staaten haben die russischen Luftschläge nochmals scharf kritisiert. "Diese Militäraktionen stellen eine weitere Eskalation dar und werden nur noch mehr Extremismus und Radikalisierung schüren", heißt es in einer vom Auswärtigen Amt in Berlin verbreiteten Erklärung. Auch Frankreich, Großbritannien, die Türkei, Saudi-Arabien und Katar - sie fliegen unter Führung der USA Angriffe gegen den IS - stehen hinter der Stellungnahme.
se/jj (ape, rtre, afpe, dpa)