Syriens Exodus endet an Jordaniens Grenze
4. Juli 2018Die Vereinten Nationen haben Jordanien dazu aufgefordert, die Grenzen für Syrer wieder zu öffnen. Nach UN-Angaben fliehen derzeit rund 270.000 Menschen aus der Stadt Daraa. Dort geht die Regierung von Syriens Präsidenten Bashar al-Assad in einer Offensive gegen Rebellen vor. "Wir appellieren an die jordanische Regierung, die Grenzen aufzulassen", sagte Liz Throssel, Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros. "Wir bitten auch andere Länder in der Region, Flüchtlinge aufzunehmen."
Die jordanische Regierung hat die Grenze zu Syrien geschlossen. Regierungsbeamte in Jordanien argumentieren, dass ihr Land nicht noch mehr Flüchtlinge aufnehmen könne. "Wir haben genug Syrer aufgenommen, bei uns sind schon so viele, wir können einfach nicht mehr aufnehmen", sagte der Minister für Medienangelegenheiten Jumana Ghunaimat der "Jordan Times" am Wochenende.
Laut dem UN-Flüchtlingswerk UNHCR lebten im Juni mehr als 666.000 syrische Flüchtlinge in Jordanien. Anstatt weitere Flüchtlinge aufzunehmen, hat die jordanische Regierung nun verstärkt humanitäre Unterstützung für die Flüchtlinge an den Grenze zugesagt. Am Sonntag startete Ministerpräsident Omar Razzaz eine landesweite Aktion, um Spenden für die Flüchtlinge zu sammeln: Lebensmittel, Wasser und Medikamente sollen so für die Syrer aus Daraa zusammenkommen.
Innenpolitik schlägt Humanität
Dieses Vorgehen hält Tina Zintl vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik angesichts der angespannten innenpolitischen Lage in Jordanien für durchaus sinnvoll. "Jordanien könnte noch mehr Anstrengungen unternehmen und mehr Menschen aufnehmen", so die Expertin. "Aber innenpolitisch ist das ein ziemlich hartes Spiel. Ich verstehe gut, warum die jordanische Seite beschlossen hat, nicht mehr Flüchtlinge aufzunehmen, sondern humanitäre Hilfe zu leisten."
Viele syrische Flüchtlinge sind laut Zintl im Norden Jordaniens untergekommen. In den Städten an der syrischen Grenze - wie zum Beispiel Mafraq und Irbid - befürchten Bewohner, noch mehr Flüchtlinge würden die Versorgung und die lokale Wirtschaft zu sehr belasten.
In den sozialen Medien haben hingegen viele Jordanier ihre Bereitschaft ausgedrückt, den Flüchtlingen helfen zu wollen. Viele kritisierten das Handeln der jordanischen, aber auch anderer Regierungen in der Region. Ihren Unmut drückten sie in dem arabischen Twitter-Hashtag für "Öffnet die Grenzen" aus. Ein anderer Hashtag, der übersetzt "Wir werden unser Brot mit ihnen teilen" bedeutet, war ebenfalls unter Jordaniern beliebt.
Gäste, keine Flüchtlinge
"Ich helfe, in dem ich eine fünfköpfige Familie aus Daraa aufgenommen habe", schrieb zum Beispiel der jordanische Anwalt und Menschenrechtsaktivist Tareq al-Tarawaneh. Er benutzte außerdem einen weiteren Hashtag: "Sie sind unsere Gäste und keine Flüchtlinge".
Jordanien hat seine Grenze zu Syrien bereits 2016 geschlossen. Die Regierung befürchtete, dass sich der Krieg im Nachbarland auch auf Jordanien ausbreiten könnte. Dieses Vorgehen verurteilen einige Jordanier, so auch Asma Jahamah, die an der englischen Universität Essex promoviert. Sie glaubt nicht, dass die syrischen Flüchtlinge eine Last für die Wirtschaft sind.
Golfstaaten in der Pflicht
"Die Menschen fliehen vor der Hölle des Krieges in Syrien - sie sind Opfer", schreibt das ehemalige jordanische Senatsmitglied Tayseer al-Samadi auf Twitter. "Es gibt keinen Zweifel, dass die Verantwortung für diese Flüchtlinge auf internationaler, aber auch auf regionaler Ebene liegt. Die Golfstaaten und die internationale Gemeinschaft stehen in der moralischen und humanitären Verantwortung, zu helfen."
Er stellte hingegen den arabischen Hashtag für "Keine Grenzen öffnen" dazu. Al-Samadi argumentiert nämlich, die jordanische Regierung tue nicht genug, um die syrischen Flüchtlinge adäquat unterzubringen. Länder wie Saudi-Arabien oder Katar, die bisher nur sehr wenige Flüchtlinge aufgenommen haben, sollten mehr tun.
Tina Zintl vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik vertritt diese Meinung ebenfalls. "Seit Beginn der Krise in Syrien waren die Golfstaaten nur auf diplomatischer Ebene aktiv", so Zintl. "Sie haben kaum Flüchtlinge aufgenommen und haben sich auch nicht an Umsiedlungsprogrammen beteiligt."