Südsudan: (K)ein ethnischer Konflikt
22. April 2014Gehen im Südsudan zwei große Volksgruppen aufeinander los, um sich gegenseitig auszulöschen? Nachdem der Konflikt zwischen Staatspräsident Salva Kiir und seinem ehemaligen Stellvertreter Riek Machar im Januar in brutale Gewalt mit tausenden Toten und zehntausenden Flüchtlingen eskalierte, hat es eine Radikalisierung der Gruppen gegeben.
Nach Angaben der UN-Mission im Südsudan (UNMISS) haben die Rebellen von Riek Machar in der Stadt Bentiu vergangene Woche hunderte Zivilisten in eine Moschee, einer Kirche und einem Krankenhaus angegriffen und getötet. Allein in der Moschee sollen 200 Opfer gezählt worden sein. Viele von ihnen gehörten der ethnischen Gruppe der Dinka an - so wie auch Machars Kontrahent, Südsudans Präsident Salva Kiir. Riek Machar dagegen entstammt der Volksgruppe der Nuer. Zeitgleich griffen jugendliche Angehörige der Dinka ein Lager der UNMISS an, in dem sich überwiegend Nuer aufhielten. Mindestens 50 Menschen wurden getötet, weitere hundert verletzt.
Missbrauch ethnischer Loyalität
Trotzdem glaubt Sarah Tangen, bei der Friedrich-Ebert-Stiftung im Nachbarland Uganda auch zuständig für den Südsudan, dass es sich hier nicht um einen Konflikt zwischen den Dinka und Nuer selbst handelt. Vielmehr sei der politische Konflikt der Auslöser für die Gewalt. "Politische Loyalitäten sind im Südsudan immer auch an ethnische Zugehörigkeiten geknüpft. Deshalb kann man diese ethnische Dimension von den politischen Rivalitäten sehr schlecht trennen", sagt sie im Gespräch mit der DW. "Ethnische Elemente sind sehr leicht für politische und wirtschaftliche Interessen mobilisierbar und werden deshalb auch gerne missbraucht." Und zwar ohne Rücksicht auf das Leid, das die Zivilbevölkerung dadurch erfahre.
Als Auslöser für den Konflikt sieht Tangen nicht die Feindschaft zwischen den Ethnien, sondern die Feindschaft der politischen Machthaber. Dabei gehe es vor allem um den Zugang zu den großen Ölvorkommen im Norden des Landes, von deren Erträgen der Südsudan fast vollständig abhängt. Sie unter ihre Kontrolle zu bringen, ist das Ziel der Rebellen.
Zwar gibt es Ressentiments zwischen den beiden Volksgruppen: Nicht erst seit der Unabhängigkeit des Südsudan vor fast drei Jahren fühlen sich die Nuer von den zahlenmäßig überlegenen Dinka benachteiligt - etwa bei der Zuteilung von politischen Ämtern oder von Weideland. Trotzdem glaubt auch Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker, dass der Konflikt nicht auf Hass zwischen den Ethnien beruht. Doch infolge der Gewalterfahrung der vergangenen Monate nähmen viele Menschen Mitglieder der jeweils anderen Volksgruppe zunehmend als Täter wahr. "Das Problem ist, dass es sich für die Zivilisten mittlerweile als ethnischer Konflikt darstellt", so Delius. Die Folge: Nur dank ihrer ethnischen Zugehörigkeit können sie von ihrer Gemeinschaft auch Schutz erwarten. Das verstärkt die Definition über die eigene Ethnie und den Hass auf die jeweils andere - ein fataler Kreislauf.
Machar gibt sich als Versöhner
Bei Rebellenführer Riek Machar selbst klingt das ganz anders: Noch vor wenigen Wochen (04.04.2014) sagte er im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Der Südsudan ist mit mehr als 60 Völkern ein ethnisch sehr vielfältiges Land. Wir wollen diese Vielfalt zusammenbringen, um einen lebensfähigen Staat zu bilden." Sarah Tangen sieht darin eine geschickte Rhetorik, um das Ausland zu beruhigen. "Ich glaube nicht, dass er ein Interesse daran hat, das Land zu befrieden." Machar hätte dafür bereits zu Beginn der gewaltsamen Auseinandersetzung Gesprächsbereitschaft signalisieren müssen, um die ethnischen Vergeltungsspiralen zu verhindern. Das Gegenteil sei der Fall gewesen, so Tangen.
Unterdessen kamen Vertreter der südsudanesischen Regierung und der Rebellen in Südsudans Nachbarland Äthiopien zusammen. In Addis Abeba sollen sie die im vergangenen Monat abgebrochenen Verhandlungen wieder aufnehmen. Dass die Gespräche zu einer Einigung führen werden, ist unwahrscheinlich: Die Konfliktparteien konnten sich bislang offenbar noch nicht einmal auf eine gemeinsame Gesprächsagenda einigen. Die Afrikanische Union hat ihnen eine Frist bis zum 30. April gesetzt, doch Sanktionen drohen im Falle eines Scheiterns nicht.