Boykott gegen Zypern
2. Juli 2012“Die Beziehungen zur Türkei sind von großer Bedeutung, gerade vor dem Hintergrund der Schuldenkrise in Europa und der Instabilität der Länder im Nahen Osten", hieß es in einem gemeinsamen Zeitungsartikel von 16 europäischen Außenministern.
Dieser war Anfang der Woche in der türkischen Zeitung "Hürriyet Daily News" zu lesen. Die Botschaft, dass die Türkei als Partner unbedingt erwünscht sei, kam kurz bevor Zypern am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat - für sechs Monate, danach rotiert der Posten wie üblich weiter. Die Insel im Mittelmeer ist geteilt: Der Süden ist in der Hand der griechischen Zyprer, für sie gilt EU-Recht. Die Türkei hält den Norden besetzt und ist mit ihrem Antrag auf EU-Mitgliedschaft bis jetzt nicht so weit gekommen wie erhofft.
Im vergangenen September drohte die türkische Regierung damit, ihre Zusammenarbeit mit der EU auf Eis zu legen, sollte Zypern die EU-Ratspräsidentschaft tatsächlich übernehmen. Statt der Teilung Zyperns würden dann die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU ein großes Problem, zitierten die türkischen Medien damals ihren stellvertretenden Ministerpräsident Beşir Atalay.
Zehn Monate später sind die Ansagen aus Ankara nicht mehr ganz so forsch: Türkische Diplomaten versichern, dass nur die Präsidentschaft boykottiert würde. Die Zusammenarbeit mit den europäischen Institutionen werde nicht unterbrochen. Das bestätigte auch der türkische EU-Botschafter Selim Yenel gegenüber der DW . "Wir werden aber nicht mit dem Ratspräsidenten zusammenarbeiten", fügte er hinzu. "An Sitzungen, die die Ratspräsidentschaft leitet oder die in Zypern stattfinden, werden wir nicht teilnehmen."
Zwei Staaten ohne Anerkennung
Die Türkei erkennt Zypern nicht als Staat an und spricht der Regierung ab, die einzig legitime Vertretung der Insel zu sein. Im Gegenzug ist die Türkische Republik Nordzypern lediglich von der Türkei anerkannt.
Der Konflikt zwischen den beiden Nationen um die Insel ist historisch bedingt. Die Teilung geht auf das Jahr 1974 zurück: Griechische Putschisten wollten Zypern dazu zwingen, sich Griechenland anzuschließen. Daraufhin besetzten türkische Truppen den Norden. 2004 scheiterte der Wiedervereinigungsplan des damaligen UN-Generalsekretärs, Kofi Annan. Zuletzt sorgten im vergangenen Jahr Zyperns Probebohrungen nach Öl und Gas im Mittelmeer für Spannungen zwischen den Konfliktparteien.
Der Konflikt ist einer der Gründe, warum die türkischen Anstrengungen um eine Mitgliedschaft in der EU bis jetzt erfolglos blieben. Die Beitrittsverhandlungen, die bereits 2005 begonnen hatten, sind inzwischen fast völlig zum Stillstand gekommen. Insgesamt werden 35 Kapitel - also politische, wirtschaftliche und rechtliche Fragestellungen - verhandelt. Das bedeutet, dass die Gesetze der Türkei in vielen Themenbereichen an die der EU angepasst werden müssen. Bei 14 Kapiteln gab es bis jetzt keine Einigung. Türkische Diplomaten kündigten an, sich für die Fortführung der Verhandlungen im nächsten Jahr vorzubereiten und bis 2013 weitere Reformen durchzuführen.
Der Botschafter Yenel hofft, dass alle Hindernisse bald überwunden sind. "Die Türkei wird den Kontakt zur EU nicht abbrechen. Wir haben nie unseren Antrag auf Mitgliedschaft aufgegeben." Sein Land arbeite geduldig weiter daraufhin.
Ankara wartet auf positive Signale
Die Vermittlungsversuche zwischen Ankara und Nikosia gehen derweil weiter. Die Türkei sieht die Schuld am langsamen Vorankommen zu einer Einigung bei den griechischen Zyprern. Weil diese schon seit acht Jahren in der EU sind, seien sie zu keinen Zugeständnissen bereit, heißt es von türkischer Seite. Seinerseits weicht Ankara aber auch nicht von der Forderung ab, Zypern offiziell zu teilen.
Ohne Einigung um Zypern wird es den EU-Beitritt der Türkei nicht geben. Das hat die Regierung akzeptiert. "Diese Problem ist die größte Hürde für uns", bestätigt Yenel. Das Land habe auf eine Lösung vor dem Beginn der Ratspräsidentschaft in diesem Jahr gehofft. Ankara warte darauf, dass die Zyprer den nächsten Schritt machen. "Sie haben auf der Insel die bessere Ausgangsposition", erklärt der Botschafter. "Ein Zeichen sollte nun von den Zyprern kommen."