Gefahr im Verborgenen - Aids in China
1. Dezember 2009Sie verkaufen Kuchen, organisieren Flohmärkte und Benefizkonzerte – die Mitglieder des Kölner Aidswaisen-Vereins kümmern sich um Kinder in China, deren Eltern an AIDS erkrankt oder bereits gestorben sind. Der Verein wurde 2004 von Mitarbeitern und Studenten der Universität Köln gegründet. Christine Winkelmann war von Anfang an dabei: Sie und die anderen versuchen, Kindern in China zu helfen: „Das sieht so aus, dass wir ihnen die Schulgelder bezahlen, dass sie weiter die Schule besuchen können und auch einen Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten geben“, sagt die Mitarbeiterin der Kölner Hochschule. „Wir haben bereits ein Kinderzentrum finanziert und sind dabei, das zweite zu eröffnen. Das sind Zentren, in denen können die Kinder sich nach der Schule treffen, gemeinsam spielen.“
Mitte der 1990er Jahre infizierten sich Hunderttausende in ländlichen Gebieten in Zentralchina an Aids. Viele hatten sich beim Blutspenden an unsauberen Nadeln angesteckt. In manchen Dörfern starben bis zu zwei Drittel der Bewohner an Aids. Ganze Landstriche verödeten. Der Kölner Verein betreut inzwischen über 150 dieser Waisenkinder.
Die HIV-Epidemie breitet sich aus
Die Zahl der HIV-Infizierten wird in China als relativ gering eingestuft. Die WHO schätzt sie auf etwa 730.000. Doch seit Jahren steigen die Zahlen der Neuinfektionen, 2008 lag AIDS unter den tödlichen Infektionskrankheiten in der Volksrepublik zum ersten Mal an erster Stelle. „Die HIV-Epidemie nimmt zwar weiterhin zu“, sagt etwa Connie Osborne von der WHO in Peking. „Aber sie breitet sich langsamer aus. 2005 lag die Anzahl der mutmaßlichen Neuinfektionen bei 27.000. 2007 waren es 50.000. In diesem Jahr sind es 48.000 Neuinfektionen. Es scheint also, dass sich die Ausbreitung der Epidemie verlangsamt.“
Eine große Decke des Schweigens
Man sollte bei den Zahlen jedoch vorsichtig sein. Sie beruhen nur auf Schätzungen und sind daher mit Vorsicht zu genießen. HIV und AIDS sind insbesondere unter Drogenabhängigen, Prostituierten und Homosexuellen verbreitet. Diese Personen sind durch Test- oder Aufklärungskampagnen aber nur schwer zu erreichen. Nicht zuletzt deshalb, weil Drogenkonsum und Prostitution in China strafbar sind und Homosexualität weitgehend verschwiegen werden muss. So könnten viele den HIV-Erreger in sich tragen, ohne es zu wissen. Wer es weiß, traut sich nicht, es offen anzusprechen. Auch bei Behörden nicht.
Die chinesische Regierung hat in den letzten Jahren verstärkt den Kampf gegen die Epidemie aufgenommen. Im Jahr 2003 erließ sie die sogenannte „Four Free, One Care“ - Politik. Dieses Programm soll Betroffenen kostenlos Medikamente, HIV-Tests oder Beratungen garantieren. Aber nicht immer wird umgesetzt, was auf dem Papier steht, klagt Christine Winkelmann vom Kölner Aidsweisen-Verein: „Die Kinder, die wir unterstützen, bekommen keinerlei staatliche Unterstützung. Das ist kein Einzelfall. Alle, die mit China zu tun haben, wissen, dass es zwischen Zentrale und den unteren Ebenen immer zu Diskrepanzen kommt, eben auch im sozialen Bereich.“
Nachholbedarf besteht in China beim Thema Aufklärung über HIV/AIDS. Denn Aids ist immer noch ein gesellschaftliches Tabu. Viele wissen nicht, wie Aids eigentlich übertragen wird. Das führt dazu, dass Betroffene stigmatisiert und diskriminiert werden, sagt Connie Osborne von der WHO in Peking. „Nicht nur in der Gesellschaft. Sogar medizinische Einrichtungen diskriminieren die Patienten. Das zeigt auch, wie wenig die Menschen über die Krankheit wissen.“
Die Mitglieder des Kölner AIDS-Waisen Vereins kennen das Phänomen und finanzieren deshalb Fortbildungen für Lehrer in China. Und sie wollen ein neues Kinderzentrum bauen und bis 2010 über 200 Waisenkinder betreuen.
Autor: Christoph Ricking
Redaktion: Silke Ballweg