Tag der Tränen
12. September 2002New York, 11.9.2002
Laura Bush verriet in einem Interview über ihren Mann: "Er weint oft und mehr als ich." US-Präsident George W. Bush besuchte Angehörige von World-Trade-Center-Opfern in der riesigen Baugrube von Ground Zero. Er umarmte Witwen, küßte Kinder, sprach tröstende Worte und weinte. Das war nicht aufgesetzt, das war echt. Die Trauer in New York, in den ganzen USA war überwältigend. Während der Schweigeminuten kam selbst das laute Manhattan kurz zum Stillstand. Der Präsident und seine Landsleute schämen sich nicht, ihre Gefühle zu zeigen.
2801 Menschen sind am World Trade Center ermordet worden. 2801 Geschichten, die erzählt werden müssten. Zum Beispiel die Geschichte von Michael (8) und Christopher (4), deren Vater im World Trade Center starb und deren Mutter kurz darauf an Brustkrebs verschied. Zum Beispiel die Geschichte von Deena Burnett, deren Mann an Bord von UA 93 den Kampf gegen die El-Kaida-Killer mit anführte. Aus manchem tragischen Schicksal erwächst Hoffnung: Jenna Jacob war hochschwanger als ihr Mann im World Trade Center zermalmt wurde. Ihre Tochter Helen wurde fünf Tage später geboren. Jenna verzweifelte nicht, sondern gründete mit Witwen in ähnlicher Lage, die Vereinigung der "WTC-Mütter". Fast zweihundert Kinder wurden nach dem 11. September unter diesen Umständen geboren. Jenna und die anderen Mütter sammeln seitdem Spielzeug und Kinderkleidung für wohltätige Organisationen.
Viele der Angehörigen hatten nach einem Jahr zum ersten Mal die Kraft zu Ground Zero zu gehen. Sie legten am tiefsten Punkt der Grube Blumen nieder, beteten, sangen Lieder. Bei diesen Szenen bekam nicht nur ich, sondern viele Kollegen eine Gänsehaut. Manchem Radio-Reporter versagte die Stimme. Jetzt kommt der 12. September 2002 und Bürgermeister Bloomberg forderte seine Stadt auf: "Back to normal" Das wird für 2801 Opferfamilien nicht so einfach.