Tag gegen antimuslimischen Rassismus
1. Juli 2018Neun Jahre ist es inzwischen her, dass die Dresdner Apothekerin Marwa el-Sherbini von dem Rechtsextremisten Alexander Wiens mit 18 Messerstichen getötet wurde. Tatort war ein Gerichtssaal im Landgericht in der sächsischen Landeshauptstadt. Auch el-Sherbinis ungeborenes Kind starb bei dem Verbrechen. Nina Mühe, Projektverantwortliche von CLAIM, einer neu gegründeten Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit, erinnert sich mit Grauen daran: Der Tag damals "war eine schlimme Zäsur". Europaweit, so Mühe, sei wahrgenommen worden, "wie schlimm Islamfeindlichkeit sich äußern kann".
Im Gedenken an das Verbrechen organisierte CLAIM am Sonntag, den 1. Juli, einen "Tag gegen anti-muslimischen Rassismus". Bereits seit 2015 gibt es den Aktionstag. Er wird unter anderem vom Bundesfamilienministerium und der Stiftung Mercator unterstützt. Der Gedenktag erscheint notwendiger denn je: Wie frappierend schlecht es um das Image des Islams in Deutschland bestellt ist, sieht man unter anderem anhand der Studien der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2015 und bei der sogenannten "Mitte-Studie" der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung aus dem Jahr 2016: Ungefähr die Hälfte der deutschen Bevölkerung fühlen sich demnach durch den Islam"bedroht" oder "sehr bedroht".
Muslimische Übergriffe auf Juden
Verstärkt wurden diese Vorbehalte in den vergangenen Monaten durch Übergriffe muslimischer Jugendlicher auf Juden in Deutschland. Unter anderem war Ende März herausgekommen, dass an einer Berliner Grundschule ein jüdisches Mädchen monatelang von muslimischen Mitschülern gemobbt wurde. Mitte April sorgte, ebenfalls in Berlin, der tätliche Angriff eines muslimischen Syrers auf einen Kippa-tragenden Israeli für bundesweite Diskussionen. Die Kippa gilt als traditionelle Kopfbedeckung männlicher Juden. Die Vorfälle gliedern sich ein in eine ganze Reihe von Übergriffen gegen Juden. Laut der Anti-Diskriminierungsstelle in Berlin wurden alleine in der deutschen Hauptstadt im Jahr 2017 schichtenübergreifend zwölf antisemitische Vorfälle gemeldet.
Es gibt keine offiziellen Statistiken zur Religionszugehörigkeit der Täter. Dennoch sieht Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, gegenüber der Deutschen Welle gerade auch die muslimischen Verbände und Moscheegemeinden in der Pflicht: "Kein Kind und kein Jugendlicher wird als Antisemit geboren. Das heißt, diese Thesen müssen Kinder und Jugendliche irgendwo herhaben." Im Regelfall sei dies das Elternhaus, beziehungsweise es seien Moscheegemeinden, wo die muslimischen Jungen und Mädchen auch nicht alleine hingingen. Dort, so Schuster, würden sie dann entsprechende Predigten von bestimmten Imamen hören. "Diese Imame haben offensichtlich das, was wir als gesellschaftlichen Konsens und gesellschaftliche Werte betrachten, nicht verstanden, oder wollen es bewusst nicht verstehen."
Politische Debatte um Islam
Dass allerdings auch Muslime zu Opfern von Gewalt werden, macht ein Blick auf die offizielle Statistik klar. 1075 Übergriffe auf Muslime und islamische Einrichtungen wurden 2017 in Deutschland erfasst - erstmals als eigener Straftatbestand. Die Dunkelziffer schätzen Experten auf das Acht- bis Zwölffache.
Für Nina Mühe, Projektverantwortliche von CLAIM, ist die Verantwortung für die ablehnende Haltung gegenüber dem Islam in Deutschland auch in der Politik zu suchen. "Es gibt auch immer wieder Politikerinnen -und nicht nur in der AfD -, die dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung bringen, immer wieder auch tatsächlich entweder Muslime in einem sehr negativen Zusammenhang darstellen, oder tatsächlich wirklich Hetze betreiben." Menschen, so Mühe weiter, "die persönlich keine Muslime kennen, lassen sich dann ganz stark davon beeinflussen."
Erst im März hatte der deutsche CSU-Innenminister Horst Seehofer für eine bundesweite Debatte gesorgt, als er attestierte, dass zwar die hier lebenden Muslime, aber "nicht der Islam" zu Deutschland gehöre. CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dies wenig später klar zurückgewiesen: "Muslime", so die Kanzlerin, "gehören auch zu Deutschland, und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam."
Nina Mühe und ihre Kollegen sehen sich in dem Statement der Bundeskanzlerin in ihrer Arbeit bestätigt. Mit dem Gedenktag am 1. Juli gegen antimuslimischen Rassismus möchten sie und ihre Kollegen ein Zeichen setzen. Auch die Muslime in Deutschland nimmt Mühe dabei in die Pflicht: Muslime sollten "sich noch stärker einbringen in die Gesellschaft, einfach sichtbarer werden. So dass sie dadurch einfach auch mehr Normalität schaffen und vielleicht auf positive Weise unsere Gesellschaft verändern können."