Taiwan erinnert mit China-Kritik an Massaker von 1989
4. Juni 2024Am 35. Jahrestag der blutig niedergeschlagenen Demokratieproteste in China hat Taiwan der Opfer auf dem Pekinger Tian‘anmen-Platz gedacht und den Umgang der Volksrepublik damit kritisiert. Die für China-Angelegenheiten zuständige Behörde Taiwans (MAC) forderte die kommunistische Führung auf, den Mut zu haben, die geschichtlichen Fakten des 4. Juni anzuerkennen und eine offenere Haltung anderen Meinungen gegenüber einzunehmen.
Taiwans neuer Präsident Lai Ching-te beteuerte, er werde das Gedenken an das Tian‘anmen-Massaker weiter aufrecht erhalten. Ein Land, das "wirklich respektabel" sei, sei eines, in dem "die Menschen frei reden können", schrieb Lai auf Facebook. "Jedes Regime sollte sich der Stimme des Volkes stellen, denn sozialer Wandel hängt oft von verschiedenen Meinungen ab".
Lai, der bei der Regierung in Peking als "gefährlicher Separatist" und "Saboteur von Frieden und Stabilität" gilt, hatte bereits bei seinem Amtsantritt angekündigt, die Demokratie in Taiwan zu verteidigen. Seit ihrer Abspaltung vor 75 Jahren betrachtet Peking die Inselrepublik als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll.
"China hat früh eine klare Schlussfolgerung gehabt"
Die Führung der Volksrepublik gab sich schmallippig. "Zu den politischen Unruhen, zu denen es Ende der 1980er Jahre kam, hat die chinesische Regierung früh eine klare Schlussfolgerung gehabt", sagte Außenamtssprecherin Mao Ning - ohne weiter auf die Ereignisse vom 4. Juni 1989 einzugehen.
Vor 35 Jahren hatte die Volksbefreiungsarmee in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni wochenlange, friedliche Proteste gegen die Regierung und für mehr Demokratie in Peking niedergeschlagen. Im Bereich des Platzes des Himmlischen Friedens (Tian'anmen) wurden damals Hunderte Menschen getötet.
Das Gedenken daran ist in ganz China verboten. Besucher des Tian'anmen-Platzes müssen an strengen Ausweis- und Taschenkontrollen der Polizei vorbei. In der gesamten Stadt sind an wichtigen Verkehrsbrücken Soldaten postiert.
Festnahmen in Hongkong
Seit der Verabschiedung des sogenannten Sicherheitsgesetzes 2020 sind die Gedenkveranstaltungen auch in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong verboten. In den vergangenen Tagen hatte es dort schon mehrere Festnahmen im Zusammenhang mit dem 35. Jahrestag gegeben. Polizisten würden zudem nach Aktivitäten Ausschau halten, die an das Tian'anmen-Massaker erinnerten, berichtete die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post".
Die deutsche Botschaft in Peking zeigte in der Nacht zum Dienstag an ihrem Gebäude in mehreren Fenstern ein Video flackernder Kerzen – ein seit Jahren bekanntes Symbol der Erinnerung an den 4. Juni. Auch Menschenrechtsgruppen übten Kritik an Peking. "Die chinesische Regierung hat bis heute keine Verantwortung für die während des Militäreinsatzes begangenen Menschenrechtsverletzungen übernommen”, erklärte Jasna Causevic von der Gesellschaft für bedrohte Völker.
ch/sti/jj (dpa, afp)