Taliban machen USA "Gesprächsangebot"
15. Februar 2018Seit Jahren gibt es immer wieder Meldungen über geplante, vorgeschlagene, abgesagte oder aber im Geheimen abgehaltene Gespräche zwischen Vertretern der Regierung in Kabul beziehungsweise der USA einerseits und der afghanischen Taliban andererseits. Der jüngste Vorstoß in diesem sogenannten "Friedensprozess" in Afghanistan ist ein "Brief" der Taliban "an das amerikanische Volk, Mitarbeiter unabhängiger NGOs und friedliebende Kongressabgeordnete".
Darin erklären sich die Taliban zum Dialog bereit, mit dem Ziel, ein Ende des Krieges herbeizuführen. Gleichzeitig bekräftigt die Gruppe, sie könne nicht durch Gewalt bezwungen werden. Ihre Bereitschaft zum Frieden bedeute nicht, dass die Taliban erschöpft wären oder an Kampfmoral eingebüßt hätten. Die Absender des Briefes stellen sich als die "Repräsentanten des Willens des afghanischen Volkes" dar; demgegenüber sei die "aufgezwungene" Regierung in Kabul korrupt und habe keine Legitimität.
US-Kommandeur: Taliban müssen sich entscheiden
Der afghanische Taliban-Experte und Universitätsdozent Faiz Mohammad Zaland schätzt den Brief im Gespräch mit der DW dennoch als bemerkenswertes Dokument ein: Ihm zufolge haben die Taliban erstmals in dieser Form öffentlich ihre Bereitschaft zu Friedensgesprächen geäußert. Dazu erklärte ein NATO-Sprecher in Afghanistan, die jüngsten Angriffe der Taliban gegen Zivilisten machten das Angebot unglaubwürdig. Die Regierung in Kabul ihrerseits forderte die Taliban auf, wie die islamistische Hisb-i Islami von Gulbuddin Hekmatjar den Kampf aufzugeben und sich dem Friedensprozess anzuschließen, wenn sie ihr Angebot ernst meinten.
Noch vor einem Monat hatte US-Präsident Donald Trump Gesprächen mit den Taliban eine Absage erteilt. Als Teil seiner Afghanistan-Pakistan-Strategie hatte Trump eine Erhöhung der US-Truppenpräsenz am Hindukusch und eine Verstärkung der Luftangriffe auf Ziele der Taliban und der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) beschlossen.
Beobachter sehen in dem jetzt aufgetauchten Brief eine Reaktion auf den verstärkten Druck, den die USA auf die Taliban als auch auf Pakistan ausüben. "Die Taliban wollen versuchen, etwas von dem Druck auf Pakistan wegzunehmen und ein Nachlassen der Bombardements der USA zu bewirken", so die Einschätzung des politischen Beobachters Yunus Fakur in Kabul. Aber die USA würden Gesprächen mit den Taliban erst dann zustimmen, wenn es signifikante Verbesserungen bei der Sicherheitslage vor Ort gebe.
Kurz vor der Veröffentlichung des "Gesprächsangebots" der Taliban erklärte der US-Kommandeur in Afghanistan, John Nicholson, im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel": "Die Taliban können unserem militärischen Druck auf Dauer nicht standhalten. Sie müssen sich entscheiden: Entweder sie verhandeln über einen Friedenspakt oder ihnen bleibt nur die Option, in einem aussichtslosen Kampf zu sterben. Oder sie können sich irgendwo in Afghanistan verstecken und irrelevant werden."
Nicholson erläuterte die größere Handlungsfreiheit, die die Regierung in Kabul unter Präsident Ghani den US-Truppen gegeben habe: "Bis zum Herbst 2016 konnten wir (...) nur zuschlagen, wenn unsere Soldaten in Lebensgefahr waren. Ich habe deswegen darauf gedrängt, dass wir auch Offensiven mit Luftschlägen unterstützen dürfen. Ich kann nicht warten, bis die Afghanen oder wir unter Druck kommen, wir müssen die Front nach vorne schieben. Die Genehmigung hat die Situation auf dem Kampffeld deutlich verändert (…) Den Taliban ist es nicht mehr gelungen, eine größere Stadt zu überrennen. Wir haben viele von ihren Kämpfern getötet, erfreulicherweise auch viele wichtige Anführer. Genau so wollen wir weitermachen."
Hoffnungen auf Deutschland und EU
Der Kabuler Experte Zaland bezweifelt nicht, dass die Bombardements der Amerikaner den Taliban weiterhin Verluste zufügen werden. Aber es werde gleichzeitig auch zu hohen Zahlen getöteter und verletzter Zivilisten, nicht zuletzt durch weitere Anschläge der Taliban, kommen. Das werde die Position der Kabuler Regierung und ihrer Verbündeten ebenfalls schwächen. Alle Seiten seien darauf fixiert, ihre militärischen Operationen durchzuführen, so Zaland gegenüber der DW. 2018 werde deshalb ein weiteres sehr gewalttätiges Jahr in Afghanistan sein, wenn es keine Friedensgespräche gebe.
"Alle Völker sollten Druck auf ihre Regierungen ausüben, damit sie sich für Frieden einsetzen", so das Plädoyer des Experten. Die Afghanen setzten dabei ihre Hoffnungen auch auf Deutschland und andere EU-Mitglieder. Der Kabuler Experte Yunus Fakur sieht dafür wenig Chancen: "Ich glaube nicht, dass Deutschland oder die EU derzeit eine große Rolle spielen können", so Fakur im Gespräch mit der DW. "Denn der aktuelle Krieg spielt sich zwischen den Taliban, der Kabuler Regierung und den USA ab. Berlin könnte eine Rolle als Ausrichter von Gesprächen spielen, wenn sich die verschiedenen Seiten auf Gespräche geeinigt haben."